Wächter der Seelen / Gefährlich wie ein Engel. Roman
äußerst unwahrscheinlich. Die Herrin des Todes hat mir gesagt, wie ich dich besiegen kann.«
»Und das hast du ihr geglaubt? Man kann mich nicht besiegen. Selbst wenn du Verzehrende Magie einsetzt, ist es dir unmöglich, zu gewinnen. Dir stehen höchstens vier solcher Zauber zur Verfügung, meine Macht dagegen ist unendlich.«
Lachlan starrte auf das hin- und herschwingende Reliquiar. Vier Zauber. Drusus hatte recht, das war alles, was Lachlan einsetzen konnte. Er wusste die Worte von vier besonders mächtigen Verzehrenden Zaubern auswendig, die er sich für genau diesen Augenblick eingeprägt hatte. Sie wogen die Macht eines Verlockungsdämons nicht auf, aber sie konnten das Zünglein an der Waage zwischen Erfolg und schrecklichem, elendem Scheitern sein. Und selbst wenn Lachlan auf diese Weise Gottes Zorn auf sich lud – welchen Unterschied machte das? Würde er nicht sowieso zur Hölle fahren?
Lachlan schloss die Augen … und schauderte bei der grausamen Erinnerung, die in ihm aufstieg: das Leuchten in Rachels Augen, als sie gesagt hatte, dass sie an ihn glaube. Es war ein Vertrauen, das er nicht verdiente und das ihm trotzdem geschenkt worden war. Nein. Er durfte sich keiner Verzehrenden Magie bedienen. Für Rachel war er mehr als nur die Summe seiner vergangenen Taten. Sie sah in ihm das Potenzial, ein besserer Mensch zu werden. Sie hielt ihn für loyal und mutig und ehrenhaft, und Lachlan würde alles dafür geben, zu beweisen, dass sie recht hatte. Wenn er Zauber einsetzte, die die Seelen seiner Familie aufzehrten, würde er Schande über Rachel bringen … und über das Andenken an seine Liebsten. Ein Sieg über den Verlockungsdämon durfte nur aus den Tiefen von Lachlans eigener Seele kommen, nicht aus dem Einsatz von Bösem gegen Böses. Aber um dieses Ziel zu erreichen, musste Lachlan wirklich daran glauben, dass er gewinnen konnte. Er musste daran glauben, dass ein einsamer Kämpfer, der für Gerechtigkeit einstand, einen Dämon mit gewaltigen Kräften bezwingen konnte.
Das schwere Silberkreuz, das Lachlan vierhundert Jahre zuvor vom Hals seines sterbenden Bruders genommen hatte, lag warm auf der nackten Brust. Rachel hatte ihm blind vertraut, und nun war die Reihe an ihm, blind zu vertrauen. Er dachte an Anselm Bruckers abgeschabte Lederbibel, das stumme Mitgefühl in den Augen des alten Mannes und dessen unerschütterlichen Glauben.
»Es gibt nur eine Möglichkeit, das herauszufinden«, sagte Lachlan und warf dem arroganten Grinsen des Dämons ein entschlossenes Lächeln entgegen.
Der Worte waren genug gewechselt. Nun war Lachlan bereit, sich dem Schicksal zu stellen, das die Götter ihm bestimmt hatten. Und so schleuderte er Drusus einen Bändigungszauber entgegen und holte mit seinem Schwert zu einem mächtigen Hieb aus.
[home]
18
E s schien Rachel, als bräuchte sie für den Weg den Höhlengang hinauf doppelt so lange wie hinunter. Im schwachen Schein der Taschenlampe verstärkten die engen Wände und die niedrige Decke das Gefühl, in der Falle zu sitzen. Außerdem forderten die Steigung und der unebene Untergrund ihren Tribut. Im Nu begannen Rachel und Em schwer zu atmen, und ihre Hände, an denen sie sich hielten, wurden feucht. Jeder Schritt, der sie von Drusus’ Versteck fortführte, war schwerer als der letzte. Rachels Brust brannte. Doch die Angst um Em trieb sie vorwärts. Nachzudenken, ob Drusus ihnen auf den Fersen war, verbot sich von selbst, denn das würde bedeuten, dass Lachlan …
Rachel ignorierte den Schmerz in den Beinen, ihr Herzklopfen drängte sie weiter. Als sie endlich den Grenzzauber erreichten, war sie vollkommen ausgelaugt – und dankbar, dass weit und breit keine Dämonen zu sehen waren. Die Seelenwächter wirkten erschöpft, aber offenbar waren sie siegreich gewesen. Rachel fiel auf die Knie, als sie Em durch den eisigen Purpurschein schob, geradewegs in Brians ausgebreitete Arme. Stefan achtete nicht auf die Gefahr, die von der kalten Barriere ausging, streckte die Hand aus und zog Rachel herüber.
»Wo ist Lachlan?«, fragte Brian, während er Ems blutlose Arme warm rieb.
»Er ist noch unten«, keuchte Rachel, die sich nur mühsam aufrecht hielt.
»Drusus hat euch gehen lassen?«
Sie nickte. »Aber es ist noch nicht vorbei. Wir müssen Em in Sicherheit bringen. Irgendwohin, wo er sie nicht findet.«
Brian sah zu Stefan. »Gibt es solch einen Ort?«
Der Magier kratzte sich nachdenklich am Kopf. »Ich denke schon. Aber ich warne euch besser vor:
Weitere Kostenlose Bücher