Wächter der Seelen / Gefährlich wie ein Engel. Roman
Name ist Koffein.«
Amanda feixte. »Du solltest lieber hoffen, dass er dir übermenschliche Kräfte verleiht oder zumindest eine kugelsichere Weste. Wir haben in fünf Minuten Kreativbesprechung.«
Rachel blieb fast das Herz stehen. Mit einem kurzen Blick vergewisserte sie sich, dass Mandy ihre Ledermappe unter den Arm geklemmt hatte. Heute war Donnerstag. Wie hatte sie das nur vergessen können? »Verdammt!«, rief sie.
»So kann man es auch ausdrücken«, pflichtete ihr Mandy bei. »Ich seh dich im Konferenzraum.«
Rachel lief aus der Küche den Gang hinunter zu ihrer Bürobox, ohne auf die Spur aus Kaffeetropfen zu achten, die sie auf dem blassgrünen Teppichboden hinterließ. Ihr Computer war noch aus, und sie schaltete ihn eilig ein. Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis die kleinen Icons auf dem Monitor auftauchten. Der Farbdrucker brauchte sieben peinigende Minuten, um Rachels Entwürfe auszuspucken. Das Telefon klingelte mehrmals, doch sie ignorierte es. Als sie endlich alles hatte, was sie benötigte, raffte sie die Unterlagen zusammen und wirbelte herum. Dabei wäre sie beinahe über die brünette Frau gefallen, die plötzlich hinter ihr stand.
»Rachel, ich brauche –«
»Ganz dringend die Grafik für den Jahresbericht. Ich weiß.« Sie schenkte der Assistentin des Finanzchefs ein entschuldigendes Lächeln und hastete den Flur hinunter zum Besprechungszimmer neben Celias Büro. »Ruf mich nachher an. Ich komme zu spät zum Meeting.«
»Es ist aber wichtig!«, rief ihr die Frau nach.
Es war immer wichtig, dachte Rachel.
Die Kreativchefin war bereits in voller Fahrt, als Rachel vorsichtig die Tür aufdrückte und in den überfüllten Raum trat. Die Schleimer, die immer bereits zehn Minuten früher da waren, hatten sämtliche Stühle in Beschlag genommen. Alle anderen lehnten reihum an den Wänden und gaben sich die größte Mühe, klein und unscheinbar auszusehen. Ein schwacher Geruch von Angst waberte durch den überheizten Raum.
Celia stand ganz vorn. Sie war in elegantes Kastanienbraun und Grau gekleidet und hatte das glatte blonde Haar straff zurückgebunden. Ihr Blick bohrte sich einen Augenblick lang in den von Rachel, aber sie unterbrach sich nicht, um die Verspätung zu kommentieren. »… bei der Präsentation«, beendete sie gerade ihren Satz. »Können Sie sich vorstellen, welch großartiges Gefühl es war, als der Produktmanager jeden einzelnen Ihrer Entwürfe als ›Müll‹ abkanzelte? Und erst, als er sich darüber beschwerte, dass die Designabteilung die Verpackung von Chiat Day völlig vergeigt hätte?«
Schweigen senkte sich bleiern über den Raum, während Celia ihren Mitarbeitern ins Gesicht sah, einem nach dem anderen. Niemand wagte es, sich zu rühren, geschweige denn, den Mund aufzumachen. Rachel hätte nun darauf hinweisen können, dass die Verpackung in den letzten sechs Wochen zweimal verändert worden war und dass Celia jeden Entwurf abgesegnet hatte, bevor er dem Produktmanager vorgelegt wurde. Aber noch wollte sie nicht sterben. Und sie brauchte diesen Job.
Grant Lewis
und
Unterhaltszahlungen
waren Worte, die selten in ein und demselben Satz fielen.
»Hören Sie zu«, blaffte Celia. »Ich will am Montagmorgen mindestens drei neue Grafiksätze auf meinem Schreibtisch haben. Jedes Logo, jede Musterdatei, jedes verdammte Icon. Das finale Beta-Release ist in zwei Wochen, und ich denke nicht daran, noch einmal als Prügelknabe herzuhalten. Es ist mir ganz gleich, ob Sie das ganze Wochenende im Büro campieren müssen. Erledigen Sie Ihren Job.«
Jeder im Raum ließ den Kopf hängen. Selbst Nigel. Als Celias erklärter Liebling war er normalerweise von derartigen Rundumschlägen ausgenommen. Aber nicht an diesem Tag. Der federführende Designer eines Projekts hatte keine andere Wahl: Er musste Disziplinarmaßnahmen mittragen. Natürlich würde er den Anpfiff nach unten weitergeben, sobald Celia sich in ihr luxuriöses Eckbüro zurückgezogen hatte.
»Und nun«, sagte die Kreativchefin, »will ich sehen, was das Fußvolk diese Woche noch produziert hat.«
Nigel stand auf, da er damit rechnete, dass er nun an die Reihe kam. Aber Celias kühler Blick glitt durch den Raum zu jenen Angestellten hinüber, die in der Nähe der Tür standen.
Rachel hielt den Atem an, kreuzte die Finger und betete. Vor Publikum zu reden machte sie immer nervös. Sie neigte dazu, herumzuzappeln und viel zu schnell zu sprechen – und das an einem Tag, an dem sie aussah, als sei sie geradewegs
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