Wächter der Seelen / Gefährlich wie ein Engel. Roman
Zuges, der ihn auf direktem Weg in die Hölle beförderte, in seinen Ohren verklang – bis er zu keinerlei Widerstand mehr fähig war. Erst dann ließ der Dämon von ihm ab. »Es ist noch nicht vorbei, MacGregor«, knurrte er.
Geschunden, blutüberströmt und von Schmerzen gepeinigt spürte Lachlan kaum noch, wie Drusus die Hand auf sein Herz legte und ihm die Seele des Drogendealers entriss.
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8
E s war noch Nacht, als Lachlan die Augen öffnete – oder zumindest eins, das andere war vollkommen zugeschwollen. Allein sein Überlebensinstinkt trieb ihn auf die Füße. Lachlans Unterbewusstsein registrierte den anregenden Duft von Kaffee und das Gemurmel menschlicher Stimmen. Sie holten ihn aus der tiefen Betäubung, die seine Wunden hervorgerufen hatten, und zwangen ihn, wach zu werden. In weniger als fünfzig Metern Entfernung näherten sich zwei Männer mit Pappbechern in der Hand der Einmündung der Gasse – schlurfend, was darauf hinwies, dass sie noch müde waren. Gleich würden sie bei ihm sein. Sie würden seine zerfetzte Kleidung sehen und die Blutlache und erschrocken die Polizei rufen. Es sei denn, Lachlan bewegte sich. Jetzt!
Ohne auf seinen erschöpften Körper, der verzweifelt versuchte, wieder zu Kräften zu kommen, und den beißenden Protest seiner zahlreichen Wunden zu achten, warf Lachlan das Schwert in einen nahen Abfallhaufen. Dann streckte er eine Hand aus, krallte sich in den Asphalt und zog sich tiefer in die Gasse hinein. Er widerstand dem Drang, zu stöhnen, und konzentrierte sich allein auf sein Ziel: einen dunklen Hauseingang etwa einen Meter weit entfernt. Wenn er sich dort hineinkauerte, würde er wie ein obdachloser Landstreicher aussehen. Die Männer waren bereits auf zwanzig Meter herangekommen. Der Seelenwächter stieß sich mit den Füßen ab, rutschte und streckte sich – und spürte dabei einen durchdringenden Schmerz an seinem Bein: eine Wunde, die bis auf den Knochen ging und aus der immer mehr Blut sickerte. Mit jedem Zentimeter, den Lachlan zurücklegte, verschlimmerte er seine Verletzungen, das wusste er. Aber er wusste ebenfalls, dass er diesen Preis zu zahlen hatte, um sich in Sicherheit zu bringen.
Was ihm glücklicherweise auch gelang. Die beiden McDonald’s-Mitarbeiter schlenderten in der Dunkelheit an ihm vorbei, ohne zu bemerken, dass die Pfützen auf dem Gehsteig Blut waren, dass nur wenige Meter entfernt ein Körper lag, in dem kaum noch Leben pulsierte.
Die Spannung, die der Adrenalinrausch ausgelöst hatte, wich aus Lachlans Muskeln. Das Kinn sank ihm auf die Brust, während ein schwarzer Nebel erneut nach ihm griff, um ihn mit sich zu nehmen, ihn zu beschützen, ihn zu heilen.
Rachel.
Lachlan machte einen tiefen Atemzug und riss den Kopf hoch. Er musste sie finden, sich vergewissern, dass es ihr gutging, sie warnen. Sein Kopf schwankte hin und her, als er zu dem verwitterten Messingknauf über sich schielte. Er hob seine tonnenschwere Hand und streckte sich unvorstellbar weit nach oben – kilometerweit, schien es ihm. Und doch erreichte er den Knauf nicht.
Irgendwo zwischen hier und dort entschied sich sein unsterblicher Körper für eine Ohnmacht, und mit dem Kopf voran fiel Lachlan in einen weiten Ozean der Leere.
Rachel seufzte, als sie die große Mappe vom Rücksitz nahm. Trotz all ihrer Bemühungen war der Morgen nicht besser verlaufen als das gesamte Wochenende. Em hasste sie noch immer. Das Frühstück hatte fünfzehn eiskalte Minuten gedauert, neunhundert schweigsame Sekunden, durchzogen von bohrenden Blicken. Offen gestanden war die Fahrt zur Arbeit eine Erlösung gewesen.
Rachel schloss das Auto ab. Die einzige freie Stelle auf dem umzäunten Parkplatz, die sie hatte finden können, befand sich in einiger Entfernung zum Bürogebäude neben einem Müllcontainer. Wenigstens würden die Ahornbäume, die in der Nähe standen, am Nachmittag ihren Schatten auf den Wagen werfen, sodass sie nicht in brütender Hitze heimfahren musste.
»Rachel.«
Sie fuhr zu den Bäumen herum. Dort, an einen dicken grauen Stamm gelehnt, stand Lachlan MacGregor. Aber nicht der entschlossene, selbstbewusste Mann, den Rachel kannte. Dieser hier war zusammengesunken und hielt den Kopf gesenkt, und sein gesamtes Gewicht ruhte auf nur einem Bein. Zögernd machte Rachel einen Schritt auf ihn zu, voller Angst vor dem, was sein desolater Zustand zu bedeuten hatte. Während Rachel näherkam, sah sie ihn immer besser, und sie schnappte nach Luft. Lachlans
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