Wächter der Seelen / Gefährlich wie ein Engel. Roman
Versuche es!«
»Du bist so zuversichtlich, weil du es nicht besser weißt. Du kannst dir nicht einmal vorstellen, welche Schmerzen ich dir zuzufügen imstande bin.« Mit Blick auf Lachlans unbeugsamen Stand und entschlossenen Griff um das Schwert hielt er kurz inne. »Sag mir, wo das Linnen ist.«
»Nein!«
»Sag mir, wo es ist, oder ich werde meine Wut an Emily auslassen müssen.«
Unruhe machte sich in Lachlans Muskeln breit. Sie betäubte den Schmerz der Strapazen und verlangsamte seinen Atem zu einem kaum wahrnehmbaren Fluss. Der Dämon konnte in der nächsten Sekunde in Emilys Zimmer sein. »Du wirst ihr nichts antun.«
»Bist du sicher? Willst du sie leiden sehen, nur um mich zu provozieren?«
»Du hast viel Zeit investiert, sie zu ködern«, sagte Lachlan. »Das wirst du nicht aufs Spiel setzen, indem du dich ihr jetzt zeigst.« Nicht, da die Korruption einer reinen Seele Satan doppelt so viel Macht eintrug wie die einer gewöhnlichen Seele.
»Gut. Du hast recht.« Drusus zuckte die Achseln. »Bleibt noch immer die süße Rachel, mit der ich spielen kann. Und versuch gar nicht erst, zu leugnen, dass sie dir etwas bedeutet. Ich kenne dich.«
Ihren Namen aus dem Mund des Dämons zu hören war wie Säure, die sich durch Lachlans Eingeweide fraß, doch er konnte sich beherrschen. »Der Mann, den du kanntest, ist tot – auch innerlich«, sagte er. Seine Worte klangen ebenso ruhig wie aufrichtig, was nicht allzu verwunderlich war, da Lachlan diesen Zustand tatsächlich vierhundert Jahre lang durchlitten hatte, bevor ihn Rachels Berührung daraus erweckte. »Ich fühle nichts mehr.«
»Komm schon, MacGregor. Die Herrin des Todes ist keine Närrin. Sie nimmt einem Wächter nicht seine Gefühle, wie sie ihm die Seele nimmt. Wenn das der Fall wäre, hätte sie am Ende eine Armee leidenschaftsloser, dümmlicher Drohnen am Hals.«
»Du hast recht, die Herrin des Todes hat sie mir nicht genommen.« Lachlan nickte. »Ich denke, diese Ehre gebührt dir.«
Drusus schwieg einen Augenblick lang. Der Stille folgte polterndes Lachen. »Bei Satans Ruhm und Herrlichkeit, willst du meinem Ego schmeicheln? Willst du versuchen,
mich
zu manipulieren?«
»Glaub, was du willst.«
Lachlans einsilbige Antwort ließ den Dämon finster die Stirn runzeln. »Soll ich Rachel holen und es in Erfahrung bringen?«
»Das spielt keine Rolle. Ich werde dir nicht sagen, wo das Linnen ist.«
»Sie ist eine beeindruckende Frau, deine Rachel. Energisch und wunderschön. Die Sorte, bei der einem der Puls schneller geht, wenn man sie nur sieht. Gib’s zu,
baro,
du machst dir etwas aus ihr.«
Um dem Dämon einen Grund zu geben, ihr etwas anzutun? Nein. Lachlan befreite seine Stimme von allen verbliebenen Emotionen und vergrub die Gefühle für Rachel in den tiefsten Windungen seines Herzens. »Ich gebe nichts zu, das ich nicht fühle.«
»Dann macht es dir also nichts aus, wenn ich ihr einen kurzen Besuch abstatte? Ich habe so eine Ahnung, dass sie mir noch mehr Vergnügen bereiten wird als Elspeth. Habe ich dir eigentlich jemals erzählt, dass sich deine liebende Frau in dem verzweifelten Versuch, dein Leben zu retten, mir hingegeben hat?«
Lachlan schloss die Augen. Das Bild von Elspeths zerrissenem und beflecktem Kleid erstand in schmerzlicher Klarheit vor seinem geistigen Auge, dazu die Tränen auf ihrem Gesicht und die Blässe der Wangen. Ein Schaudern über sein Unvermögen, ihr zu helfen, durchfuhr Lachlan einmal mehr. »Widerlicher Abschaum!« Er schwang sein Schwert und drang auf den Dämon ein.
Und der Kampf begann von neuem. Für eine ganze Weile leistete Lachlans Zorn ihm gute Dienste. Der Seelenwächter brachte einen oder zwei erfolgreiche Zauber an, durchbrach die starke Abwehr des Dämons und ließ mehrere Male Blut fließen. Aber jeder Roma-Zauber kostete ihn Energie. Da Drusus seine aus einer nie versiegenden Urkraft schöpfte und Lachlan jeglichen Schutzes beraubt war, kam es, wie es kommen musste. Am Ende zwang Drusus ihn in die Knie.
Der Dämon griff in Lachlans Haar und riss seinen Kopf nach oben. »Sag mir, wo das Linnen ist!«
»Nein.«
Der eiserne Knauf von Drusus’ Schwert traf ihn mitten ins Gesicht. »Sag es.«
»Nein!« Seine Stimme hatte noch immer Kraft, auch wenn sie über aufgeplatzte Lippen kam.
»Dann möge es eben so sein.« Drusus zeigte keine Gnade. Er hieb und stach auf Lachlan ein, bis dieser jene Klippe hinabfiel, die sich dräuend über dem Meer des Vergessens erhob, bis das Brüllen des
Weitere Kostenlose Bücher