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Wächter der Seelen / Gefährlich wie ein Engel. Roman

Wächter der Seelen / Gefährlich wie ein Engel. Roman

Titel: Wächter der Seelen / Gefährlich wie ein Engel. Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette McCleave
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hielt und das Geld zahlte. Pech gehabt. Und natürlich war wieder sie diejenige, die die schlechte Nachricht überbringen musste.
     
    Ein Schauder fuhr Em den Nacken entlang und verscheuchte die letzten Gedanken über den Bleistift. Sie warf einen Blick über die Schulter. Und tatsächlich, vier Reihen hinter ihr saß zwischen seinen Klassenkameraden aus der Zehnten der neue Schüler. Er starrte sie an – nicht auf eine Art, die ihr Angst machte, sondern ruhig und ernst. Carlos. Es war gut möglich, dass die monotone Rede über die Nulltoleranzpolitik der Schule ihn in Trance versetzt hatte und sein Blick rein zufällig an Em hängengeblieben war, aber das glaubte sie nicht. Einmal konnte ein Zufall sein. Aber dreimal? Ausgeschlossen!
    Erfreut – und gleichzeitig entschlossen, es nicht zu zeigen – schickte Em ihm den gelangweiltesten Blick, zu dem sie fähig war, und wandte sich wieder ihren Kritzeleien zu. Ein weiterer Blutstropfen gesellte sich an die Spitze des Messers, das sie über das Datum gezeichnet hatte. Für tief gebräunte Haut und Muskelpakete war sie normalerweise nicht besonders empfänglich, doch sie musste zugeben, dass Carlos Rodriguez einen verträumten Seufzer wert war. Alles an seiner Haltung, von seinem Provozier-mich-ruhig-Blick bis zu der Ist-mir-doch-egal-Stellung der Schultern, verriet Selbstsicherheit. Außerdem war er ein Gothic wie sie, was ihm unbestreitbar Pluspunkte verschaffte. Und die Kobratätowierung auf dem Handgelenk verlieh ihm eine knallharte Note – er war absolut cool. Sein schmales Gesicht kam dem allgemeinen Schönheitsideal zwar erschreckend nahe, aber die weiße Narbe, die mitten durch seine volle Unterlippe verlief, rettete ihn gerade noch.
    Doch wie attraktiv Carlos körperlich auch sein mochte, es waren seine Augen, die Em besonders für ihn einnahmen. Dunkelbraun und freudlos. In diesen Augen lag eine ganze Welt des Schmerzes verborgen. Sie ließen auf eine dunkle, hässliche Wunde schließen, die ihn aus den Tiefen seiner Seele heraus auffraß – etwas, das Em nachfühlen konnte. Ohne jemals ein Wort mit Carlos gewechselt zu haben, wusste Em, dass er eine verwandte Seele war. Und seinem offenkundigen Interesse nach zu urteilen spürte er dasselbe.
    In drei Minuten würde die Glocke das Ende dieses Schultages verkünden. Alle würden aus der Aula zu den Spinden gehen und dann nach Hause. Die Frage war: Fände Carlos einen Vorwand, auf dem Flur mit ihr zu reden? Em hoffte es.
    Die Direktorin beendete die Rede und wünschte ohne jegliche Begeisterung allen ein sicheres Jahr, dann ertönte die Glocke. Em stand auf. Ihre Hände begannen zu schwitzen, als sie die Schultasche hochhob. Sie musste ihre ganze Willenskraft aufbringen, um nicht in Carlos’ Richtung zu schauen. Es war besser, so zu tun, als wäre er ihr herzlich gleichgültig. So würde er nie erfahren, dass es Em sehr wohl etwas ausmachte, falls er sie nicht ansprach. Em ließ sich mit der Menge aus der Aula treiben und schlenderte in Richtung Spind, und zwar betont langsam, damit Carlos Gelegenheit hatte, sie einzuholen – vorausgesetzt natürlich, er folgte ihr überhaupt. Unfähig, der Versuchung zu widerstehen, sah sie sich rasch um. Und ihr Blick kollidierte mit einem Paar Augen in der Farbe von Rauchtopasen, die von langen Wimpern umrahmt waren. O Gott. Er stand genau hinter ihr.
    »Hey«, sagte er, ohne zu lächeln.
    »Hey.« Em blieb vor ihrem Spind stehen – und Carlos ebenfalls. Während er sich gegen den nächsten Blechschrank lehnte und Em schweigend zusah, begann ihr Herz zu rasen. Was wiederum ihre Wangen zum Glühen brachte. Dankbar für die Schicht bleichen Make-ups drehte Em lässig mit einer Hand an dem Zahlenschloss.
    »Nimmst du den Bus nach Almaden?«, fragte er.
    Ihr Blick wanderte wieder zu seinem Gesicht. Die schwarzen, mit Eyeliner gezeichneten Striche unter den Augen liefen in kleinen Tränen aus, ein simpler und doch beklemmender Effekt. Carlos war über dreißig Zentimeter größer als sie, und das gefiel ihr. »Ja.«
    »Cool, ich auch.«
    Er wartete, bis Em den Rucksack gepackt hatte, dann gingen sie zusammen über das Fußballfeld zu den Reihen gelber Schulbusse, die auf der Westseite der Schule parkten. Carlos lief dichter neben ihr, als jemand, den man gerade erst kennengelernt hatte, gehen sollte. Er berührte sie fast.
    Em warf ihm einen verstohlenen Blick zu. Trotz seiner Größe streifte der Saum des schwarzen Trenchcoats die Kappen der schwarzen

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