Waechter der Unterwelt - Schluessel der Ewigkeit
sein Lächeln zu sehen.
Die Fahrt dauerte fast eine Stunde, da der Verkehr sehr dicht war. Die Rushhour war nicht die beste Zeit, um durch die City zu fahren.
Am Friedhof angekommen, bat ich den Taxifahrer auf mich zu warten. „Ich bin in fünfzehn Minuten wieder da.“
Er nickte nur.
Vor dem großen, schwarzen Eisentor blieb ich stehen. Es fiel mir jedes Mal schwer, diesen Ort zu betreten. Ich schloss die Augen und atmete tief ein. Und jetzt war ich auch nicht mehr alleine.
Eine dichte Schneedecke lag über den freien Rasenflächen des Friedhofs. Lediglich die Hauptwege waren geräumt. Der gepflasterte Weg war rutschig und es erforderte höchste Konzentration, um ihn unversehrt zu benutzen. Der Friedhof war praktisch leer. Nichts, außer dem Wind, der durch die Bäume pfiff, war zu hören.
„Hallo, Mom“, sagte ich, gab ihrem Bild auf dem Grabstein einen Kuss und legte die Tulpen auf das schneebedeckte Grab. „Granny lässt grüßen. Sie musste heute leider ein paar wichtige Dinge erledigen, aber sie kommt bestimmt bald wieder vorbei.“
Ich nahm die Kerze aus meinem Rucksack, die Zündhölzer aus der Jackentasche und kniete mich hin. Die Kerze brannte auf Anhieb. Ich erhob mich wieder.
Ich starrte auf den Grabstein und fragte mich dabei, ob sie wohl auch ein Geist war. Vielleicht war sie es sogar, deren Präsenz ich spürte. Im Inneren wusste, dass es nicht so war. Dennoch gefiel mir der Gedanke, Mom um mich zu haben.
„Du könntest wenigstens mit mir reden, damit ich nicht wie eine Verrückte Selbstgespräche auf dem Friedhof führe. Es ist ganz schön deprimierend, sich selbst zu antworten“, sagte ich zu meinem Geist.
Wie üblich, nichts als Stille.
„Bist du vielleicht ein Geist? Ein Außerirdischer? Ein Mutant? Oder ein außerirdischer Mutant?“, fragte ich.
Jetzt war es so weit, ich hatte endgültig den Verstand verloren. Ich stand vor dem Grab meiner Mutter und führte Selbstgespräche.
Der Wind blies auf einmal stärker. Es war saukalt. Fröstelnd rieb ich mir die Arme und machte einen Schritt, um zu gehen, als ich einen Zettel auf dem Grab neben den Blumen flattern sah. Zögernd bückte ich mich. Ich war nicht sicher, ob ich wissen wollte, was darauf stand, oder ob er überhaupt real war und keine Ausgeburt meiner Einbildung. Mit zittrigen Händen hob ich das Blatt Papier auf und faltete es auseinander.
Manchmal ist es besser, nicht alles zu wissen.
Es war dieselbe wunderschöne Handschrift, wie das letzte Mal.
„Na ja … ich denke, dass ich schon ein Recht darauf habe, es zu wissen“, sagte ich zögerlich.
Plötzlich bewegten sich die Buchstaben auf dem Papier. Vor Schreck ließ ich den Brief fallen. Hatte ich Halluzinationen? Mit rasendem Herzen starrte ich den Zettel im Schnee an. Ich wusste nicht, weshalb mich das so ängstigte, schließlich war er aus dem Nichts aufgetaucht, so viel ungewöhnlicher war das jetzt eigentlich nicht. Hin und her gerissen von der Frage, ob ich ihn aufheben oder davon wehen lassen sollte, stand ich da. Das Läuten der Kirchenglocke erschreckte mich und löste meine Erstarrung. Ich schloss die Augen und atmete tief durch. Ich entschied mich, ihn aufzuheben. Du schaffst das, Sara, du schaffst das , sagte ich mir selbst.
Ich bin nichts von all dem, was du vermutest.
„Was bist du dann?“
Doch dieses Mal bewegte sich nichts.
Etwa eine halbe Minute verging, ehe ich eine Antwort erhielt. Jedoch nicht so, wie ich es erwartet hatte.
„Auf diese Frage darf ich dir keine Antwort geben“, flüsterte eine sanfte Männerstimme.
Ich kam mir vor wie in einem dieser Horrorstreifen, wo gleich ein wahnsinniger Axtmörder aus dem Busch springen würde. Ich sah mich um, es war niemand zu sehen.
„Warum nicht?“, fragte ich ein wenig ängstlich.
Nicht, dass es schon merkwürdig genug war, dass aus heiterem Himmel Briefe auftauchten und sich die Buchstaben darauf auch noch bewegten, nein, jetzt hörte ich auch noch Stimmen. Aber ich hatte es ja so gewollt. Das hatte ich nun davon.
Keine Reaktion. Nichts geschah und ich spürte, er war nicht mehr da. Wie konnte er es wagen, einfach zu verschwinden? Er ließ mich noch verwirrter zurück, als ich schon war.
„Du kannst doch jetzt nicht einfach gehen!“, rief ich.
Eine ältere Dame drehte sich erschrocken zu mir um. Ich war wohl etwas zu laut gewesen.
Wütend stampfte ich quer über den Friedhof durch den Schnee zurück zum Taxi.
Wieder zu Hause schlug ich die Tür so fest
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