Wächter der Venus
unterdessen wieder angeweht worden war.
Eigentlich war es nur natürlich, daß die Venusier das Hindernis entfernt hatten. Aber ich war inzwischen so mißtrauisch geworden, daß es meinen Verdacht hervorrief.
In den wenigen antiquierten Kriminalromanen, die ich bisher gelesen hatte, war immer wieder die List aufgetaucht, einen gefaßten Verbrecher laufen zu lassen oder ihn erst gar nicht zu verhaften, sondern zu beschatten, um sich von ihm zu seinen Komplizen führen zu lassen.
Möglicherweise war genau das die Absicht der Venusier, die mich gefangen hatten.
Natürlich gab es keine Sicherheit für diese Annahme, aber die Aussicht, meinen Gegnern auch durch eine Flucht nicht entrinnen zu können, verstimmte mich dermaßen, daß ich gewillt war, ihnen auf jeden Fall ein Schnippchen zu schlagen.
Ich wandte mich um und kroch so schnell zurück, wie es der glatte Felsboden in der Höhle erlaubte.
Nur wenige Sekunden später bestätigte sich mein Verdacht.
Im Körperempfänger klangen aufgeregte Gesprächsfetzen auf. Es wurde zwar gleich darauf wieder still, aber ich hatte aus dem wenigen doch soviel heraushören können, daß man über meine Umkehr verblüfft war.
Ich triumphierte innerlich, auch wenn ich mir sagte, daß meine Freiheit nur noch kurz bemessen sein würde. Aber wenigstens hatte ich ihren Plan vereitelt.
Vor dem künstlichen Stalaktiten verhielt ich kurz, dann preßte ich mein Maul entschlossen auf die unauffällig markierte Öffnungsschaltung.
Rasch schob ich mich in den Schacht, ruderte eine Weile hilflos mit den Gliedmaßen, bevor es mir gelang, mich abzustoßen, und sank dann langsam abwärts.
*
Der Liftschacht schien endlos zu sein. Zwar konnte ich ohne festen Anhaltspunkt und ohne Chronographen die abgelaufene Zeit nur schätzen, aber eine halbe Stunde seit meinem Einstieg in den Schacht war bestimmt vergangen – und noch erreichten meine Radarimpulse nicht den Grund.
Dafür empfing ich den Wortlaut einer erregten Auseinandersetzung, deren Sinn ich nicht verstand.
Die Venusier, die mich gefangen hatten, waren offenbar von allen Seiten des Höhlensystems in der »Stalaktitenhalle« angekommen und warfen sich nun gegenseitig vor, mir die Flucht ermöglicht zu haben.
Auf den naheliegenden Gedanken, daß ich den Antigravlift benutzt haben könnte, kamen sie anscheinend nicht.
Mir konnte es nur recht sein, wenn ich mich auch ein wenig darüber ärgerte, daß sie mir nicht einmal zutrauten, einen getarnten Geheimgang zu finden.
»Er muß sich in einer Felsspalte verborgen haben«, kam die klare Mitteilung durch, »und ihr seid an ihm vorbeigelaufen, ohne ihn zu sehen. Demnach befindet er sich in der inneren Region des Höhlensystems.«
»Warum ausgerechnet dort!« kam es scharf zurück. »Ich nehme an, ihr habt den Ausgang nicht aufmerksam genug beobachtet, und er ist euch entkommen!«
Ich grinste innerlich.
Vielleicht stritten sie sich solange, bis ich endgültig entkommen war.
Aber gleich darauf erteilte einer der Venusier, wahrscheinlich der mit der hellen Rückenzeichnung, den Befehl, das Höhlensystem noch einmal gründlich zu durchkämmen.
Danach verstummten die Gespräche.
Nun, sollten sie suchen, bis sie schwarz wurden. Ich war schon so gut wie in Sicherheit – zumindest vor ihnen.
Wenige Minuten später erreichten mich die reflektierten Impulse meines Körperradars. Sie kamen in solcher Stärke an, daß es mir unerklärlich schien, warum sie mich nicht längst erreicht hatten.
Aber nachdem ich die obere Begrenzung des Schachtes angepeilt hatte, wußte ich, warum. Der Antigravschacht verlief nicht genau vertikal, sondern beschrieb eine schwach ausgeprägte Schraubenlinie, was infolge der herrschenden Schwerelosigkeit nicht direkt bemerkt werden konnte.
Kurz nach dieser Feststellung setzte ich sanft auf festem Untergrund auf.
Der Detektor zeigte Unmengen metallener Substanz an – und zwar in allen horizontal verlaufenden Richtungen.
Offensichtlich hatte ich die Ebene erreicht, in der sich die technischen Anlagen der Venusier befanden. Von nun an, so nahm ich mir vor, mußte ich doppelt vorsichtig sein. Hinter jeder Biegung konnten die Bewohner des zweiten Planeten auftauchen.
Der Grund des Schachtes bildete eine Plattform, deren Durchmesser etwa zehnmal größer war als der Durchmesser des Liftschachts. In den Außenwänden waren zwölf Öffnungen angebracht. Sechs von ihnen stellten Eingänge zu tiefer reichenden Liftschächten dar, die anderen sechs waren
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