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Wächter der Venus

Wächter der Venus

Titel: Wächter der Venus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. G. Ewers
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Absichten zu vereiteln.
     
    *
     
    »Ich möchte alles Wesentliche über die Altvenusier wissen!« befahl ich der Automatik. »Ihre Entwicklungsgeschichte, den Aufbau ihrer Zivilisation, die Gründe für die Übersiedlung zur Erde und ganz speziell die physischen und psychischen Eigenschaften und Fähigkeiten des Einzelwesens!«
    »Verstanden und als erfüllbar akzeptiert«, kam die Antwort. »Ein konzentriertes Mitteilungsprogramm wird aufgestellt und steht in etwa dreißig Minuten Erdzeit zur Verfügung.«
    Ich triumphierte innerlich.
    So leicht hatte ich es mir nicht vorgestellt, die unsichtbare venusische Automatik zu überlisten.
    Dabei war alles nur eine Frage der Formulierung gewesen.
    Hätte ich beispielsweise anstatt »die physischen und psychischen Eigenschaften des Einzelwesens« gesagt »Hinweise auf die Möglichkeit, meine Grundgestalt nach eigenem Willen zu verändern«, dann wäre die Antwort sicherlich negativ ausgefallen, denn Agkoras Programmierung sah gewiß nicht vor, daß ich ein Mittel erhielt, mit dessen Hilfe mir eine Flucht ermöglicht werden konnte.
    Es war ein Fehler des Venusiers, bei der Programmierung der Maschine nicht zu bedenken, daß ein Erdgeborener etwas anderes sagte als er eigentlich meinte; daß er log, wenn er es für angebracht hielt.
    Nicht, daß ich persönlich etwa stolz auf diese spezifische Eigenschaft meiner Art gewesen wäre, aber Agkora wollte uns Menschen geistig und körperlich vergewaltigen. So sah ich die Dinge jedenfalls. In einem Existenzkampf gegen einen überlegenen Gegner aber ist jedes Mittel erlaubt. »Notwehr« sagt man auf der Erde dazu.
    Pünktlich nach dreißig Minuten kamen die ersten Sendungen an.
    Es handelte sich um Kompositionen, die bei mir plastische Illusionen hervorriefen, dreidimensionale Bilder in Farbe und mit Ton.
    Die Oberfläche der Venus erschien mir als ein einziges Glutmeer, zusammengesetzt aus den Lavaseen Abertausender von Vulkanen, die ihre Glut in den rauchbedeckten Himmel warfen. Nach und nach nahmen die Ausbrüche an Zahl und Intensität ab. Auf der Nachtseite erkaltete die Glut besonders schnell. Risse durchzogen das erstarrte Magma, Gestein zerbröckelte, Dampf kondensierte.
    Aus den Rissen quollen weißliche Wolken, stiegen in den Himmel und lösten die Rauchschwaden ab. Orkane zerrissen die Wolkenschleier, Hitze und Kälte lösten chemische Prozesse aus. Vom Weltraum prasselten Strahlenschauer auf die öde und leere Oberfläche des Planeten herab.
    Die nächste Phase zeigte in mikroskopischer Vergrößerung die Entstehung der ersten Kohlenwasserstoffe, zeigte die vielfältigen extremen Einflüsse, die unablässig neue Verbindungen gebaren. Der Kommentar erläuterte, daß die tote Materie sich nicht schnell genug den ständig wechselnden Umweltbedingungen anpassen konnte; wie überall in der Natur führte das zu einem Sprung in der Entwicklung, zur Entstehung metabolischen Lebens, denn lebende Organismen waren anpassungs- und wandlungsfähiger als tote Verbindungen.
    Ich »sah«, wie die Einzeller, kaum, daß sie entstanden waren, sich zu großen Verbänden zusammenschlossen. Die inneren Teile hatten nun den Vorteil, weitgehend konstant bleiben zu können, während sie die äußeren dabei unterstützten, sich durch Formund Funktionsänderungen an die wechselnden Umweltverhältnisse anzupassen.
    Eine solche Entwicklungsrichtung führte naturgemäß schneller als auf der Erde zu Lebewesen mit einem gut ausgebildeten Zentralnervensystem. Praktisch gab es, verwendete man die irdische Definition dafür, auf der Venus niemals Pflanzen oder Bakterien und Viren. Aber der Begleittext belehrte mich darüber, daß die irdischen Kriterien von den Erdbedingungen diktiert worden waren, daß sie nur begrenzt auf venusische Verhältnisse angewandt werden konnten. Das, was ein irdischer Biologe als Tier bezeichnet haben würde, konnte durchaus eine venusische Pflanze sein, eine Pflanze mit einem Zentralnervensystem. Der Unterschied zwischen Tier und Pflanze bestand darin, daß die Reaktionen des Tieres teilweise bewußt abliefen, während die Reaktionen von Pflanzen immer unbewußt und absolut zwingend waren.
    Anders als bei der Evolution des Lebens auf der Erde war hier nicht die fehlende Spezialisierung des Körpers die Voraussetzung zur Herausbildung der Intelligenz, sondern das Tier mit dem größten und kompliziertesten Zentralnervensystem erlebte eines Tages, daß es die Umwelt in einem anderen Licht sehen konnte.
    Erst mit dieser

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