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Wächter des Elfenhains (German Edition)

Wächter des Elfenhains (German Edition)

Titel: Wächter des Elfenhains (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gavénis
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Blickes zu würdigen, verließ er ihren Kreis, schritt mit erhobenem Haupt über das zertrampelte Gras der Lichtung und trat demonstrativ an Maifells Seite. Obwohl sie noch immer zu sehr in ihrem Schmerz gefangen war, um seine Gegenwart auch nur wahrzunehmen, hatte er zum ersten Mal seit langer Zeit wieder das Gefühl, das Richtige getan zu haben.
    Er spürte, wie die düstere Erstarrung zu weichen begann, wie die unheilvollen Wolken aus Zorn und mitleidloser Strenge, die eben noch über der Lichtung geschwebt hatten, sich auflösten, als würden sie von einem warmen Sommerregen aus der Luft gewaschen, dann räusperte sich Rilcaron und sagte mit belegter Stimme: „Also gut, Maifell. Wir lassen dich gewähren. Hilf ihm, so gut du kannst. Doch du wirst niemals allein mit ihm sein. Neanden, Gairevel, ihr werdet wie bisher bei ihm Wache halten.“
    Neanden nickte steif. Er sah, wie Maifell den Kopf hob, und spürte, wie sie erneut aufbegehren wollte, doch als er ihr einen warnenden Blick zuwarf, schwieg sie. Er nahm sie behutsam auf die Arme, wandte sich wortlos ab und trug sie ins Dorf zurück, damit man dort ihren gebrochen Knöchel heilte. Gairevel folgte mit Andion, ebenfalls schweigend. Neanden fühlte noch immer den Schmerz, der ihn erfüllte, dass gerade er es gewesen war, der für Maifells Zustand die Verantwortung trug. Doch nicht bei ihm lag die eigentliche Schuld; Neanden wusste es, und die Ältesten, soviel zumindest musste er ihnen zugutehalten, wussten es auch.
    Als er in die vielen starren, misstrauischen Gesichter blickte, die der Prozession am Dorfeingang entgegensahen, fühlte er so deutlich wie nie zuvor, wie viel Ogaire ihnen tatsächlich genommen hatte. Wie viel sie sich von ihm hatten nehmen lassen. Er schwor sich, alles zu tun, dass die Dunkelheit seines Volkes niemals vollkommen sein würde. Das war er seinem Vater schuldig, Maifell – und sich selbst.

18. Kapitel

    Und wieder träumte er. Wieder hetzte er durch den Wald, spürte seinen rasenden Herzschlag und die Panik, die ihm die Kehle zuschnürte, während er kopflos wie ein Tier auf der Flucht durch das Unterholz stolperte. Schwarze, verkohlte Zweige und Blätter peitschten ihm ins Gesicht, und bleiche Wurzeln griffen wie Totenfinger nach ihm, versuchten, ihn zu Fall zu bringen, und um ihn herum wirbelten die winzigen, verdorrten Körper der Sylphen und Blütenfeen wie Flocken schwarzen Schnees von einem düsteren, toten Himmel herab.
    Blindlings taumelte er vorwärts, rannte und rannte, bis seine Beine vor Erschöpfung zu zittern begannen und er glaubte, den fauligen Gestank der Luft nicht länger ertragen zu können – und erstarrte, als die schaurigen Bäume und das widerwärtige, verfilzte Gestrüpp jäh vor ihm auseinanderwichen und den Blick auf eine weite Lichtung freigaben.
    Voller Grauen wollte er sich herumwerfen, die Augen schließen, irgendetwas tun, um dem grässlichen Bild zu entkommen, das sich wie Batteriesäure in sein Gehirn ätzte, doch er vermochte sich nicht von der Stelle zu rühren. Wie stets, so hatten ihn seine Albträume auch diesmal getreulich ins Verderben geführt, hatten ihn mit kalter Heimtücke in das Netz der Spinne gelockt, die hungrig in der Finsternis seiner Seele lauerte. Und wie stets, so zappelte er auch dieses Mal hilflos an ihrem klebrigen Faden, ohnmächtig und verzweifelt, und starrte mit vor Furcht und Entsetzen aufgerissenen Augen auf den Ort, an dem sich, wie bei all den unzähligen Malen zuvor, sein Schicksal erfüllen würde.
    Und doch war etwas anders als sonst. Denn wo sich in seinen früheren Träumen lediglich tote, verbrannte Erde mit ein paar wenigen schwarzen, skelettierten Büschen und Bäumen vor ihm erstreckt hatte, erhob sich nun eine gewaltige Eiche, eine gigantische, abscheuliche Monstrosität, die mit ihren grausigen Ästen und Zweigen beinahe den grauen, ausgebluteten Himmel zu berühren schien.
    Beim Anblick des weißen, wie aufgedunsen wirkenden Holzes und der bleichen, fleischigen Blätter quoll würgende Übelkeit in ihm hoch, und doch war es nicht der Baum selbst, der Krallen des Entsetzens in seine Seele trieb und ihn vor Qual und Schmerz aufheulen ließ, sondern die Früchte, die er trug. Wohin auch immer er seinen Blick wandte, sah er Leichen – die verstümmelten, mumifizierten Körper von Elfen, Dutzende, Hunderte; die Äste der Eiche hatten sich in ihre Leiber gebohrt, hatten ihre Brust durchstoßen und sich mit hungriger Gier in sie hineingewühlt, waren wie die

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