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Wächter des Elfenhains (German Edition)

Wächter des Elfenhains (German Edition)

Titel: Wächter des Elfenhains (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gavénis
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über die Grenze bringen und Andion danach folgen können? Der Junge hätte deine Hilfe dringender gebraucht als er!“
    „Und was ist mit meinem Respekt? Die Totenwache ...“
    „Interessiert offensichtlich niemanden hier!“, fiel Maifell ihm grob ins Wort. „Hast du es immer noch nicht begriffen? Die Elfen sterben, Neanden, und ihre Traditionen sterben mit ihnen. Und das Erste, was sie begraben haben, war ihr Mitgefühl!“
    Ihre Miene wurde hart und abweisend, Bitterkeit grub sich in ihre Züge, dann wandte sie sich brüsk von ihm ab, beugte sich über Andion und legte ihm behutsam ihre Hände auf die Brust. Ihre Stimme war leise, tonlos, als wäre es ihr bereits gleichgültig, ob er ihre Worte verstand oder nicht. „Der Einzige, der sich für diesen Jungen verantwortlich gefühlt hat, war Ionosen. Hättest du zu Andion gestanden, so wie dein Vater es getan hat, hättest du ihm weitaus mehr Ehre erwiesen, als mit geballten Fäusten neben seiner Leiche Wache zu halten. Aber was will man auch anderes von dir erwarten? Du bist nur ein Elf.“
    „Das reicht, Maifell!“
    Neanden zuckte erschrocken zusammen, als Rilcarons eisige Stimme in seinem Rücken aufklang. Rasch wandte er sich um. Der gesamte Rat war gekommen, dazu eine Handvoll Krieger. Er war so sehr in seinen Disput mit Maifell vertieft gewesen, dass er ihr Erscheinen nicht bemerkt hatte.
    Maifell rückte sofort näher an Andion heran, und ihr Gesicht nahm einen gleichermaßen trotzigen wie ängstlichen Ausdruck an.
    Rilcaron blickte kalt auf sie herab. „Geh weg von ihm!“
    Maifell schüttelte heftig den Kopf. „Erst, wenn ich ihn geheilt habe!“
    „Das wird ein anderer an deiner Stelle übernehmen.“
    „Nein, das lasse ich nicht zu.“
    „Das ist nicht deine Entscheidung, Maifell!“
    Rilcaron winkte Gairevel, der sofort ein paar Schritte auf Maifell zutrat.
    Maifell presste grimmig die Lippen zusammen und schlang störrisch einen Arm um Andion. Neanden spürte, dass sie sich nur gewaltsam von ihren Absichten abhalten lassen würde. Gairevel spürte es auch. Er zögerte, warf einen Hilfe suchenden Blick auf Rilcaron. Doch die Miene des Ältesten blieb unbewegt, wirkte so hart und unnachgiebig wie Felsgestein, und auch in den Augen der anderen Ratsmitglieder stand unverhohlene Missbilligung.
    Neanden schloss kurz die Augen, atmete tief durch. So sehr es Maifell auch immer wieder schaffte, mit ihrer kompromisslosen Impulsivität den Dolch in seine offenen Wunden zu stoßen und das Blut in seinen Adern vor Zorn in Wallung zu versetzen, so wenig könnte er es ertragen, würde sie wie eine Verbrecherin abgeführt werden. Entschlossen streckte er den Rücken durch.
    „Verzeiht, Ältester. Bitte bedenkt, dass Heilung, wie jeder andere Zauber, nur durch den Willen erfolgen kann.“
    Maifell sah ihn überrascht an, griff aber sofort nach dem rettenden Ast, den er ihr hingehalten hatte, und warf einen vorwurfsvollen Blick in die Runde. „Neanden hat recht. Ohne einen entschiedenen Willen wird jede Heilung vergeblich sein. Und wer von euch besitzt diesen Willen? Wer? Kein Einziger! Euch ist es gleich, ob Andion lebt oder stirbt. Wenn er überhaupt eine Chance haben soll, dann nur, wenn ich bei ihm bleiben darf!“
    Rilcaron schnaubte abfällig. „Spar dir deinen Atem, Maifell. Du wirst diesen Jungen weder heilen, noch wirst du in seiner Nähe sein, wenn er erwacht. Bereits beim letzten Mal hat ein kurzer Blick auf ihn genügt, um dich gegen uns aufzubringen, wie stark also wird sein verderbter Einfluss erst werden, wenn du länger an seiner Seite bleibst?“
    „Verderbter Einfluss?“, rief Maifell ungläubig. „Das kann nicht im Ernst das sein, was Ihr glaubt!“
    „Was sollen wir sonst glauben?“, mischte sich Tigarain unwillig ein. „Seit dieser Menschenbastard in unseren Hain gekommen ist, bist du nicht wiederzuerkennen, Maifell! Du bist ungehorsam und bockig wie ein kleines Kind, du stellst unsere Entscheidungen infrage, und alles nur, weil ...“
    „Weil diese Entscheidungen unsinnig sind“, fiel Maifell ihr ins Wort.
    Ein schockiertes Aufkeuchen ging durch die Reihen der Ältesten. Tigarains ohnehin schon strenge Züge verhärteten sich noch mehr, und Neanden spürte, wie plötzlich Zorn die Luft über der Lichtung erfüllte. „Es steht dir nicht zu, das zu beurteilen.“ Tigarain durchbohrte sie mit einem Blick, der jede Pflanze sofort zum Welken gebracht hätte. „Wir sind die Ältesten. In tausend Jahren magst du genügend Weisheit

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