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Wächter des Elfenhains (German Edition)

Wächter des Elfenhains (German Edition)

Titel: Wächter des Elfenhains (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gavénis
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Kräfte aus der Reserve gelockt und ihm wenn schon nicht Furcht, so doch zumindest einen gewissen Respekt abgenötigt zu haben, offenbar nicht einmal so falsch gelegen hatte. Nur dass Ogaire auf eine so teuflische Weise zurückschlagen würde, damit hatte er nicht gerechnet.
    Die Welt verschwamm unter nahen Tränen, und seine Schultern sanken herab. War es das, was Ionosen in der Zukunft gesehen hatte, und hatte er lediglich die falschen Schlüsse daraus gezogen? Er hatte gewusst, dass Ogaire dereinst für den Untergang des Hains und aller seiner Bewohner verantwortlich sein würde. Doch hatten seine Visionen ihm auch gezeigt, wie es dazu kommen würde? Hatten sie ihm enthüllt, dass nicht der Verräter und Mörder seiner Schwester der Henker sein würde, der das Urteil vollstreckte, der sein Schwert in das schlagende Herz des Waldes trieb und damit allem ein Ende machte? Dass es nicht der Vater war, dessen Hand den Tod brachte – sondern der Sohn?
    Andion spürte, wie er innerlich zu zittern begann. Wie sehr hatte er versucht, sich selbst Mut zu machen, aus der Existenz der Elfenseelen in seinem Inneren Kraft und Hoffnung zu schöpfen. Nun sah er, wie armselig diese Versuche gewesen waren, wie mühelos es Ogaire mit einer diabolischen Pirouette geschafft hatte, seine eigene Stärke gegen ihn zu wenden und ihn tatsächlich in das Kaninchen zu verwandeln, das er niemals hatte sein wollen und das nichts anderes tun konnte, als hilflos und starr auf den tödlichen Biss der Schlange zu warten – oder aber selbst zum Mörder zu werden und alles ins Verderben zu stürzen, wofür Ionosen so viele Jahre gekämpft hatte. Denn das war die Entscheidung, die Ogaire ihn zu treffen zwang. Sein Herzschlag und der der Quelle waren nun eins, waren verschmolzen zu dem eines einzigen Lebewesens, einem Amalgam aus Dunkelheit und Licht, so eng miteinander verbunden, dass eine Wunde, die dem einen zugefügt wurde, unweigerlich auch den anderen traf. Und falls diese Wunde tödlich wäre, wäre es nicht nur eins der beiden Herzen, das zu schlagen aufhören würde.
    Andion hob den Blick und starrte Ogaire in ohnmächtiger Verzweiflung an. Niemals in seinem Leben hatte er sich derart hilflos, so vollständig gelähmt und ausgeliefert gefühlt. Egal was er tat, welche Entscheidung er auch traf – falls es ihm nicht gelang, Ogaire und die Quelle wieder zu trennen, würden das Volk der Elfen, die Bäume des Waldes und die Wesen des Kleinen Volkes am Ende des Tages nur noch Asche sein, gleichgültig ob sich Ogaire nun sterbend zu seinen Füßen im Staub krümmte oder als neuer Gott in schrecklicher Glorie über das Antlitz der Erde wandelte. Der Verräter würde triumphieren, und alle, die im Kampf gegen ihn ihr Leben geopfert hatten, würden umsonst gestorben sein.
    Doch gab es überhaupt eine solche Möglichkeit? Vermochte er mit der Kraft seiner Magie und seiner Entschlossenheit die grausamen Zähne der Bestie aus dem ätherischen Fleisch der Quelle zu lösen, ohne ihr zartes Gewebe dabei in Stücke zu reißen? Gab es einen Lichtschimmer, wo Ogaire ihn nur Dunkelheit sehen lassen wollte?
    Sein Gegner ließ ihm nicht die Zeit, weiter darüber nachzudenken. Er bündelte seinen Willen und griff an, nutzte den Augenblick seiner Erstarrung und seines Schocks, um die bröckelnde Mauer seiner Konzentration vollends zum Einsturz zu bringen. Andion schrie auf, wäre unter der brutalen Wucht von Ogaires Attacke um ein Haar in die Knie gesackt.
    Doch er fiel nicht; die mörderischen Fänge, die danach gierten, die dünne Haut seiner Seele zu zerfetzen und zu verschlingen, was ihnen beim letzten Mal vorenthalten worden war, schnappten nicht zu.
    Es dauerte einen Moment, ehe er begriff, dass der Tod nicht kommen würde, dass Ogaire trotz all seiner geballten Wut seinen Körper nicht binnen eines Lidschlags zu Schlacke verbrannt hatte. Erst jetzt nahm er wahr, dass neben dem infernalischen Kreischen und Heulen des magischen Sturms, neben seinem eigenen atemlosen Keuchen und dem Rauschen des Blutes in seinen Ohren noch andere Geräusche die Luft über der Lichtung erfüllten. Ein Tosen und Brausen war um ihn herum, als seien plötzlich alle Adler dieser Welt aus dem Himmel herabgestoßen, um die sengende Glut von Ogaires Zauber mit dem Schlagen ihrer mächtigen Schwingen zum Verlöschen zu bringen, und er spürte, wie die düsteren Wolken seiner Resignation und Hoffnungslosigkeit von der Kraft dieser Schwingen ergriffen und von Sekunde zu Sekunde weiter

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