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Wächter des Elfenhains (German Edition)

Wächter des Elfenhains (German Edition)

Titel: Wächter des Elfenhains (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gavénis
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Bäumen, Maifell, warum? Wenn Andion stirbt, wirst du allein sein! Allein! Du wirst niemals wieder lieben können, und niemals mehr wirst du lachen oder Freude empfinden. Dein Leben wird vorüber sein, bevor es überhaupt begonnen hat. Ist dir das nicht klar?“
    Maifell sah ruckartig auf. „Natürlich ist es das! Aber wenn Andion stirbt, gibt es kein Leben mehr, weder für mich noch für den Hain. Für niemanden!“
    Neanden knirschte mit den Zähnen, und seine Fäuste ballten sich so fest zusammen, dass dumpfer Schmerz in seinen Handflächen zu pochen begann. Einen Moment noch blickte er grimmig in Maifells wunderschönes, tränennasses Gesicht, lauschte dem Echo ihrer Qual in seiner Seele. Dann traf er seine Entscheidung.
    „Ich werde ihm folgen!“
    „Du darfst ihn nicht aufhalten!“, flehte Maifell. Obwohl er spürte, wie sehr sich alles in ihr verkrampfte, zwang sie die Worte über ihre Lippen.
    „Ich habe nicht vor, ihn aufzuhalten. Aber vielleicht kann ich ihm irgendwie helfen. Bei allen Bäumen, ich bin der Wächter des Hains! Es ist meine Aufgabe, den Wald und seine Bewohner zu beschützen!“
    Doch er wusste, das war nur die halbe Wahrheit. Er könnte Maifell nie wieder in die Augen sehen, wenn er nicht alles tat, um Andion in seinem Kampf gegen Ogaire zur Seite zu stehen. Und sich selbst auch nicht mehr.
    Er blickte Maifell fest an. „Ich bringe Andion zu dir zurück. Ich verspreche es.“
    „Danke“, flüsterte sie. „Ich danke dir.“
    Er nickte ihr noch einmal zu, wollte sich abwenden, doch sie hielt ihn zurück.
    „Neanden!“
    „Ja?“
    „Nimm einen Bogen mit. Wir wissen nicht, wie viele Sylphen und andere Wesen Ogaire unter seinen Willen gebracht hat.“
    Neanden spürte, wie ein eisiger Finger über seinen Nacken strich, und presste die Lippen zu einem harten Strich zusammen. Selbst alle Bögen dieser Welt würden nicht genügen, sich einen Weg zum Herzen des Waldes freizukämpfen, sollten die Wesen des Kleinen Volkes sich gegen ihn stellen. Auch seine Magie würde ihm dann nicht mehr helfen. Ohne die Zauberkraft der alten Elfenseelen, die Andion und sein Vater besaßen, würden ihn Ogaires monströse Heerscharen vermutlich in Stücke reißen, lange bevor er auch nur in die Nähe der geschändeten Lichtung gelangt war. Doch das änderte nichts. Er hatte Maifell sein Wort gegeben, Andion in seinem verzweifelten Ringen um die Zukunft seines Volkes beizustehen, und er würde es halten, und wenn es das Letzte war, was er in seinem Leben tat.
    Neanden straffte seine Schultern, dann wandte er sich endgültig von Maifell ab. So schnell ihn seine langen Elfenbeine trugen, eilte er zu seinem eigenen Quartier, holte Bogen und Pfeile und verließ das Dorf, ohne noch einen Blick zurückzuwerfen. Entschlossenheit verdrängte seine Furcht, ließ sein Blut heiß durch seine Adern rauschen. Ja, er würde sein Versprechen halten. Nicht nur für Andion und Maifell, sondern auch für seinen Vater. Ionosen hatte von Anfang an recht gehabt. Andion war die Hoffnung seines Volkes. Es hatte niemals eine andere gegeben.
    Neanden stürmte noch schneller voran. Er würde alles tun, damit diese Hoffnung nicht im Keim erstickt wurde.

21. Kapitel

    Er rannte, wie er noch nie in seinem Leben gerannt war, und mit jedem seiner Schritte hatte er das Gefühl, als würde die Wirklichkeit weiter vor ihm zurückweichen, als seien die Mauern zwischen Traum und Realität, die dem Ansturm seiner nächtlichen Schrecken 17 Jahre lang getrotzt hatten, durch die Ereignisse der letzten Stunden so rissig und dünn geworden, dass Grauen und Tod wie fauliger Eiter hindurchzusickern und die Konturen der Welt zu zersetzen begannen.
    Zuerst waren es nur ein paar braune, verwelkte Blätter, dann einzelne Zweige und Äste, die sich Andion schwarz und kahl wie verkrüppelte Gliedmaßen aus dem grünen Dickicht entgegenstreckten, schließlich ganze Büsche und Bäume, die verdorrt und tot in den gleichgültigen Himmel ragten.
    Und am Ende, wenn selbst die Luft, die er atmete, kalt und stockig und der Boden unter seinen Füßen zu grauer Asche geworden war, würde Ogaire auf ihn warten. Er würde ihm mit unbewegtem Gesicht und seinen grausamen grünen Augen entgegenblicken, so wie er es schon so oft getan hatte, würde die Arme ausbreiten, um den Sohn, nach dem er so viele Jahre vergeblich gesucht hatte, willkommen zu heißen, und Andion würde den gierigen Hunger hinter dieser Maske spüren, das wilde Verlangen, ihn zu packen und sein Leben

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