Wächter des Elfenhains (German Edition)
von ihm fortgetrieben wurden. Neues Vertrauen und neuer Mut fluteten in seine Seele, und obwohl er wusste, dass sie nicht von ihm selbst stammten, hob Andion staunend den Kopf, und Härte und kalte Entschlossenheit gruben sich in seine Züge, wo zuvor nur Zweifel und Verzagtheit gewesen waren. Dies war die Antwort auf seine Frage, das Licht, das die Dunkelheit bannte, die Ogaire mit seiner schrecklichen Enthüllung über ihn geworfen hatte. Er hatte es die ganze Zeit gewusst, doch er hatte nicht wirklich darauf vertraut, es nicht wirklich verstanden. Bis jetzt. Denn trotz seiner perfiden Hinterlist, seines diabolischen Intellekts und all seiner geraubten Kräfte war Ogaire nicht allmächtig.
Andion streckte den Rücken durch, öffnete seinen Geist für den Orkan, der ihn durchtoste, wurde eins mit dem Zorn und der Kraft der Elfenseelen in seinem Inneren. Ihr Wille wurde zu dem seinen, wurde zu einem gewaltigen, schimmernden Schwert, das die Klingen aus kalter Gier, die Ogaire ihm entgegenschleuderte, mit grimmiger Wut beiseite fegte.
Die Luft zwischen ihnen schien mit einem Mal zu zischen und Blasen zu werfen, das Gewebe der Wirklichkeit selbst wie sprödes Glas zu knirschen und im nächsten Augenblick zerspringen zu wollen, als ihre Magie mit elementarer Wucht aufeinanderprallte, doch Andion spürte nichts davon. Er ritt auf der Woge aus Macht und jahrtausendealtem Wissen, die aus ihm hervorbrach, war wie ein Pfeil, der von zehntausend zornigen Göttern zugleich auf sein Ziel abgeschossen worden war. Die eisige, schwarze Mauer von Ogaires Willen ragte vor ihm in die Höhe, so schrecklich und unüberwindlich wie ein Gebirge aus stählernen Dornen, das für jeden, der mutig oder dumm genug war, eine Bresche hineinschlagen zu wollen, den sicheren Tod bedeutete.
Und doch wusste Andion, dass es einen Weg gab, eine Schwachstelle, die Ogaire trotz all seiner Entschlossenheit nicht hatte beseitigen können, von der er in seiner Arroganz und Hybris vermutlich nicht einmal etwas ahnte. Bis zu diesem Augenblick hatte er gebraucht, um die Natur der Quelle, aus der er selbst und Ogaire so selbstverständlich ihre Kräfte schöpften, tatsächlich zu begreifen, dabei lag die Wahrheit so schmerzhaft offen vor seinen Augen, dass er sich fragte, warum er nicht längst darauf gekommen war. Er war kein bloßes Gefäß für die Macht, die von seinem Vater in ihn hineingezwungen worden war, ebenso wie die Elfenseelen, die in ihm wohnten, nicht lediglich eine Waffe waren, derer er sich bediente; sie waren lebendig, und sie besaßen einen eigenen Willen – auch wenn der Wille jener Seelen, die Ogaire ihm bereits geraubt hatte, in Ketten gelegt und für dessen finstere Zwecke missbraucht worden war.
Kein Sklave aber konnte so vollständig gebrochen und erniedrigt werden, dass nicht ein winziger Funke der Auflehnung und Rebellion in ihm erhalten blieb, ein Funke, der nur darauf wartete, zu neuer Glut emporlodern zu können. Selbst Ogaire war bei all seiner titanischen Bösartigkeit nicht in der Lage, dieses leidenschaftliche Verlangen nach Freiheit und Unabhängigkeit gänzlich aus seinen Gefangenen herauszubrennen; er konnte lediglich Mauern errichten, war nicht mehr als ein Kerkermeister, der seine Peitsche auf die Fäuste niederfahren ließ, die von innen an den Gitterstäben ihres Verlieses rüttelten.
Nein, die Seelen der Elfen würden dem Mörder und Verräter ihres Volkes niemals freiwillig untertan sein – und sie würden die erste Hand ergreifen, die sich ihnen entgegenstreckte und ihnen half, das Joch von ihren Schultern zu streifen, in das sie von Ogaire auf so diabolische Weise hineingepresst worden waren.
Andion wusste nun, dass er den Willen seines Vaters mit roher Kraft allein niemals würde überwinden können, denn genau das war es, was Ogaire von ihm erwartete. Weil es das war, was er selbst tat. Was er aufgrund der Grausamkeit seines Vorgehens und der ungeheuerlichen Blasphemie seiner Absichten tun musste. Er besaß nun beinahe die Macht eines Gottes, aber diese Macht würde nie gänzlich ihm gehören, würde nie zu einem natürlichen, lebendigen Teil seiner Selbst werden, sondern immer etwas Fremdes für ihn bleiben, war wie der Versuch, mit einem gestohlenen Schwert in die Schlacht zu ziehen, während der rechtmäßige Besitzer noch den Griff in seinen Fäusten hielt und mit aller Kraft in die entgegengesetzte Richtung zog. Denn mochten Ogaire und die Elfenseelen auch den gleichen Körper bewohnen, so würden sie
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