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Wächter des Elfenhains (German Edition)

Wächter des Elfenhains (German Edition)

Titel: Wächter des Elfenhains (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gavénis
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Schritte, und seine Miene wurde hart.
    „Du hast Recht, Vater. Ich bin hier, um dich zu töten.“ Er öffnete seinen Geist, offenbarte Ogaire die Wunder und Mysterien, die darin verborgen lagen. Wie ein Sturm, der nur auf diesen Augenblick gewartet hatte, um in seiner vollen Stärke loszubrechen, schwoll das Raunen und Wispern erneut in ihm an, und ihm war, als ströme mit einem Mal Magie statt Blut durch seine Adern, als werde sein Körper bis in die winzigste Zelle mit Macht und Wissen geflutet – dem Wissen und der Macht jener, die bereits zwischen den Bäumen des Hains gewandelt waren, als die Welt noch jung und die Menschheit nicht mehr gewesen war als schuppige Lurche, die im Schlamm zappelten. Ein grimmiges Lächeln grub sich in seine Mundwinkel.
    „Du siehst, ich bin nicht allein gekommen. Meine Macht ist nun ebenso groß wie die deine, Ogaire. Und ich werde mir auch die, die du bereits gestohlen hast, zurückholen.“
    Ogaire schaute ihn an, ohne sich zu rühren. Seine unheimlichen grünen Augen glühten so stark wie nie zuvor, loderten in einem Feuer, dessen tödliche Kälte den Herzschlag der Zeit selbst zum Erstarren zu bringen schien. Für einen grauenhaften, ewig währenden Moment gab es nur diese Augen, hatte Andion das Gefühl, von Nadeln aus Eis seziert zu werden, die sich tief in seine Seele bohrten und ihm mehr seiner Geheimnisse entrissen, als er zu geben bereit gewesen war. Er spürte, wie die Kiefer des Raubfischs sich um ihn schlossen und auf unbegreifliche Weise der Kampf gegen seinen Vater zu kippen drohte, noch ehe Ogaire mit gleichmütiger, beinahe gelangweilter Stimme erneut das Wort ergriff. Noch immer hatte er sich nicht von der Stelle gerührt, wirkte seine hochgewachsene, reglose Gestalt wie ein düsteres Blutgerinnsel in dem silbrigen Strom des Lebens, der ihn umfloss, doch seine Lippen kräuselten sich, als amüsiere er sich über einen Scherz, dessen Pointe keiner außer ihm zu erfassen vermochte.
    „Große Worte für jemanden, der nicht einmal seine eigene Mutter vor dem Tod retten konnte. Wie schade, dass ihre Seele nicht aus ihrem Grab zurückgekehrt ist.“ Er machte eine verächtliche Handbewegung, als scheuche er eine Schmeißfliege fort, die gerade von einem Stück verwesenden Fleisches in die Luft gestiegen war. „Ionosen hätte ihrem Beispiel folgen sollen. Doch wie ich sehe, konnte unseren armseligen Propheten nicht einmal ein eingeschlagener Schädel davon abhalten, dir abermals seine nutzlose Hilfe angedeihen zu lassen. Bevor du dich allerdings mit deiner Armee der Toten in die Schlacht stürzt und meinen Kopf auf eine Lanze spießt, solltest du zuerst einen Blick hierauf werfen!“
    Er öffnete seinen Geist, wie Andion es zuvor getan hatte, ließ Andion erkennen, was bisher hinter einem Schleier aus Magie verborgen gewesen war. Gleichzeitig trat er zur Seite, gab den Blick frei auf das Herz des Waldes – oder auf das, was aus ihm geworden war.
    Abermals schien die Welt den Atem anzuhalten, hatte Andion das Gefühl, in einen unendlich tiefen Abgrund zu stürzen, der sich plötzlich unter ihm aufgetan hatte.
    „Sieh nur genau hin“, sagte Ogaire, doch Andion hörte ihn kaum.
    Das ... kann nicht sein!“, flüsterte er erstickt. Lähmendes Entsetzen schnürte ihm die Kehle zusammen, ließ ihn keuchend einen Schritt zurückwanken. Doch kein noch so angestrengtes Blinzeln, kein verzweifeltes Starren änderte etwas an dem grauenhaften Anblick, der sich ihm bot, vermochte die schreckliche Wandlung ungeschehen zu machen, die mit der Quelle des Hains vor sich gegangen war. Denn das Herz, das seit Anbeginn der Zeiten für alle Elfen und Wesen des Kleinen Volkes, für jeden Baum, jede Blume und jedes Blatt des Waldes geschlagen und ihre Körper und Seelen mit Vitalität erfüllt hatte, hatte seinen Rhythmus verloren. Stränge aus Finsternis wucherten über seine schimmernde Oberfläche, schnitten wie Drahtschlingen in das silbrige Licht, zwangen das sanfte Pulsieren mit grausamer Gewalt in eine neue Form, einen fremden Takt – den Takt von Ogaires Herzschlag.
    Ein gequältes Stöhnen entrang sich seiner Kehle, und all seine Kraft schien mit einem Mal aus seinen Muskeln zu weichen, als Andion begriff, was das bedeutete. Wie hatte er nur jemals glauben können, Ogaire gewachsen zu sein, gegen den jahrtausendealten Intellekt und kalten Willen des Elfen auch nur den Hauch einer Chance zu haben? Das Tragische war, dass er mit seiner Annahme, Ogaire mit der Entdeckung seiner

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