Wächter des Elfenhains (German Edition)
legten, ihn, wie unzureichend auch immer, gegen die mentalen Klauen seines Vaters abzuschirmen versuchten, und er fühlte die grimmige Präsenz Ionosens und vieler anderer, die mit ihrem Willen und ihrer Magie wütend auf den hungrigen Tentakel einhackten, der sich in ihn hineingebohrt hatte.
Das schreckliche Reißen und Saugen geriet ins Stocken, als sich die Elfenseelen mit aller Kraft gegen den düsteren Mahlstrom stemmten, den zuckenden Stachel seines Vaters Stück für Stück aus ihm herausdrängten und die kalte Leere, die er in ihm zurückließ, mit ihrer eigenen tröstlichen Gegenwart füllten. Aber so heroisch sie sich auch in die Schlacht warfen, so wusste Andion doch, dass ihr Kampf am Ende vergeblich sein würde. Trotz ihrer heilenden Magie schien sein Körper noch immer eine einzige offene Wunde zu sein, aus der sein Blut und sein Leben unaufhörlich in die tote Düsternis der Lichtung sickerten, und sein Wille, der eigentlich ein schimmerndes Schwert hätte sein sollen, war so schartig und stumpf geworden, dass er sich kaum aus eigener Kraft auf den Beinen zu halten vermochte. Einzelnen Sylphen gelang es bereits jetzt, den magischen Schild erneut zu durchbrechen, und es war vermutlich nur eine Frage weniger Augenblicke, bis auch Ogaire abermals zuschlagen würde – und noch einmal würde es weder den Elfenseelen noch ihm selbst gelingen, ihn davon abzuhalten, sich zu nehmen, wonach ihm verlangte. Ihre Verteidigung war bloß noch ein zerschlissener Fetzen Stoff, in den ein Rudel Hunde seine Zähne gegraben hatte und knurrend in verschiedene Richtungen gleichzeitig zerrte, und die Kraft für einen Gegenangriff fand Andion schon jetzt nicht mehr.
22. Kapitel
Lautlos wie ein Schatten in der Nacht jagte Neanden durch den Wald. Längst spürte er den Tod um sich herum, der schwer wie der Atem eines Sterbenden in der Luft hing, sich kalt und dumpf wie Novembernebel auf seine Haut legte und seinen Muskeln alle Wärme und alle Lebendigkeit zu entziehen schien, doch er hielt nicht inne. Gespenstische Stille umgab ihn, ließ jeden Schlag seines rasenden Herzens wie eine Kriegstrommel in seinen Ohren dröhnen und jedes leise Rascheln eines Blattes unter seinen Füßen wie das schaurige Kreischen einer verdammten Seele durch das Unterholz hallen, und doch stürzten sich keine mörderischen Kreaturen aus dem Himmel herab, um ihn mit ihren Zähnen und Klauen in Stücke zu reißen, und auch kein anderes Wesen des Kleinen Volkes warf sich ihm in den Weg und versuchte, ihn von seinem Vorhaben abzuhalten.
Als er schließlich die Stätte der Schändung erreichte, sah er auch warum. Andion und sein Vater standen sich auf der verbrannten Lichtung gegenüber – und über ihren Köpfen kreisten die dunklen Sylphen.
Neanden keuchte voller Grauen auf und wich unwillkürlich ein paar Schritte zurück, verbarg sich tiefer in den Schatten der schwarzen, verkrüppelten Büsche und Bäume, während eisige Kälte langsam sein Rückgrat hinabkroch. Niemals hätte er für möglich gehalten, dass so viele der Windgeister unter Ogaires Bann stehen könnten! Dichte Schwärme kreischender und heulender Sylphen erfüllten die Luft über der Lichtung, verdunkelten die Sonne und den wolkenlosen Sommerhimmel und tauchten Andion und Ogaire in ein düsteres Zwielicht, als sei vorzeitig die Nacht über diesen Teil des Waldes hereingebrochen. Selbst in seinem Versteck spürte Neanden die Finsternis, die von ihren Seelen Besitz ergriffen hatte, und er spürte den fiebrigen, wahnsinnigen Hass, mit dem sie gegen Andions magischen Schild anstürmten, sich wieder und wieder dagegenwarfen wie monströse Insekten, die das Blut eines verletzten Tieres gewittert hatten und nun danach gierten, ihm mit ihren rasiermesserscharfen Zangen das Fleisch von den Knochen zu schälen.
Und Andion war verletzt, Neanden spürte es genau. Schmerz und Verzweiflung strahlten in qualvoller Hitze von ihm aus, und nun, da sich seine Augen an das plötzliche Dämmerlicht gewöhnt hatten, sah Neanden auch, dass er nicht mehr aufrecht vor seinem Gegner stand, sondern in gekrümmter Haltung am Boden kniete, als stecke ein Messer in seinem Leib, das er nur mit äußerster Mühe davon abhalten konnte, sich endgültig in sein Herz zu bohren. Offenbar gelang es ihm bereits jetzt nicht mehr, den wilden Ansturm der Sylphen und die Attacken Ogaires vollständig abzuwehren, und die Kraft für einen Befreiungsschlag, mit dem er die Initiative in diesem Kampf wieder hätte an sich
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