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Wächter des Elfenhains (German Edition)

Wächter des Elfenhains (German Edition)

Titel: Wächter des Elfenhains (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gavénis
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wie sie, dass ein Schuss mit einem Bogen niemals einen anderen Elfen verletzen konnte, wenn die Sylphen dies nicht wollten. Sie wachten über die Gemeinschaft der Waldbewohner, wie er selbst über den Hain wachte. Doch Ogaire war kein Teil der Gemeinschaft mehr.
    Die Sylphen kamen noch näher heran, strichen mit ihren winzigen Händen sanft über sein Gesicht, und er spürte ihre wortlose Zustimmung. Dankbar nickte er ihnen zu, dann legte er langsam einen Pfeil auf die Sehne, und sein Blick heftete sich auf Ogaire. Er zielte nicht auf sein Herz; noch nicht. Erst musste er Andion Gelegenheit geben, die gestohlene Macht des Elfenvolkes zurückzuholen.
    Leise sprach er zu den Sylphen, erklärte ihnen, was er plante, dann schloss er die Augen und spannte den Bogen. Keinen Herzschlag später sprang der Pfeil wie von selbst von der Sehne.

    Andion spürte Neandens Gegenwart im selben Moment, in dem er das Geräusch des heranjagenden Pfeils hörte. Er fühlte das Flackern von Überraschung in Ogaires Geist, fühlte, wie er noch versuchte zu reagieren, aber er war zu langsam. Vom Zorn der Sylphen getrieben, bohrte sich der Pfeil mit der Gewalt und Geschwindigkeit einer Gewehrkugel in seine Schulter, zerfetzte Muskeln und Lungengewebe und wühlte sich, kaum langsamer geworden, aus seinem Rücken wieder hervor, um irgendwo hinter ihm im grauen Zwielicht zu verschwinden.
    Ogaire wurde zurückgeschleudert, wirbelte mehrere Meter durch die Luft und prallte hart auf dem toten Boden der Lichtung auf. Andion schlug sofort zu. Mit einem verzweifelten Schrei durchstieß er den Nebel aus Schwäche und Schmerz, der von Sekunde zu Sekunde dichter um ihn wurde, brach durch Ogaires magischen Schild und warf sich in seinen Geist. Er spürte Ionosen und Esendion an seiner Seite, spürte all die uralten Elfenseelen, die zusammen mit ihm in diese letzte Schlacht gezogen waren und nun wie eine gewaltige Flutwelle über Ogaire hinwegspülten, um sich ebenso wie er in den finsteren Schlund zu stürzen, der plötzlich offen vor ihnen lag. Es würde nur einen Lidschlag dauern, bis die dunklen Sylphen begriffen, dass der erbitterte Widerstand, der ihnen in den letzten Minuten entgegengeschlagen war, mit einem Mal zu existieren aufgehört hatte, doch das war bedeutungslos. Andion wusste, sie würden nur einen Versuch haben, die rasante Fahrt in den Abgrund doch noch zu stoppen und die Karten des Schicksals neu zu mischen. Scheiterten sie, war ohnehin alles verloren.
    Sie kamen wie ein Orkan über Ogaire, zerschmetterten die Kerkermauern, die die gestohlenen Elfenseelen bisher zurückgehalten hatten, und rissen sie mit sich in die Freiheit. Die Woge flutete zurück, unendlich mächtiger und gewaltiger als nur einen Augenblick zuvor, und noch im selben Moment spürte Andion, wie all seine Verletzungen geheilt wurden und seine Schmerzen von ihm wichen, als sich die Seelen der Elfen wie ein tosender Strom in ihn ergossen, als sie ihre Kraft und ihre Magie zu der seinen werden ließen und voller triumphierender Freude das Ende ihrer Unterdrückung feierten.
    Andion streckte seinen Rücken durch und richtete sich gerade auf. Er sah, wie sich Ogaire mit vor Schmerz und ungläubiger Wut verzerrtem Gesicht vom Boden erhob und fühlte, wie seine Magie bereits dabei war, die schreckliche Wunde wieder zu verschließen, die Neandens Pfeil in seinen Körper gerissen hatte. Doch diesmal war es nur seine eigene Magie – die Einzige, die ihm nach der Befreiung der Elfenseelen noch geblieben war. Das infernalische Kreischen und Heulen der Sylphen über ihren Köpfen war schlagartig verstummt, als die gestohlene Macht der Quelle aus Ogaire geflohen war, und ohne die aus dieser Macht geschmiedeten Fesseln waren die schaurigen Kreaturen nicht mehr als Rußflocken, die von den heißen Winden eines Feuers emporgewirbelt worden waren und nun, nachdem die Flammen keine Nahrung mehr fanden, langsam dem Boden entgegensanken. Andion atmete tief durch. Die Fäden der Marionetten waren den Händen des Puppenspielers entglitten, und sie würden niemals wieder dorthin zurückkehren.
    Ogaire drehte jetzt den Kopf und starrte zu Neanden hinüber, der noch immer zwischen den schwarzen, verkohlten Bäumen am Rande der Lichtung stand. Kalter Hass loderte in seinen Augen, und Andion spürte, wie sich sein Wille zusammenballte, wie er eine Klinge formte, unsichtbar und tödlich, die im nächsten Moment auf Neanden niederfahren würde.
    Andion erschrak. Auch ohne die Magie der alten

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