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Wächter des Elfenhains (German Edition)

Wächter des Elfenhains (German Edition)

Titel: Wächter des Elfenhains (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gavénis
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darin, jemanden zu finden, der nicht gefunden werden will.“
    Andion blinzelte verdutzt. „Du hast Ogaire beschatten lassen?“
    „Ja, so nennt man das wohl.“ Ionosens Lächeln verblasste, und ein harter, entschlossener Zug grub sich in seine Mundwinkel. „Auf diese Weise bin ich über den Aufenthaltsort unseres speziellen Freundes stets auf dem Laufenden geblieben.“
    Andion erschrak. „Könnte er uns nicht genauso aufspüren?“
    Ionosen schüttelte den Kopf. Seine blauen Augen schimmerten im dunstigen Sonnenlicht wie gehärteter Stahl. „Nein. Nicht solange mein Wille, euch zu beschützen, größer ist als seiner, euch zu finden.“
    Andion atmete tief durch. „Wer ...“ Er stockte, räusperte sich und versuchte noch einmal, die Worte an der Enge in seiner Kehle vorbeizuzwingen. „Wer gibt er vor zu sein?“
    „Im Augenblick nennt er sich Crofton Wicklow und arbeitet als Arzt im Oakwood General Hospital.“
    „Ein Arzt ?“ Andion starrte ihn ungläubig an. „In einem Krankenhaus ?“
    Ionosen nickte finster. „Was für einen besseren Ort könnte es für Ogaire geben, um seinen schrecklichen Hunger zu stillen? Nirgendwo sonst kommt er so leicht an die Lebenskraft der Menschen und an ihre Magie heran.“
    Andion hatte das Gefühl, als gefröre er innerlich zu Eis. „Soll das heißen, er saugt sie aus? Er hat sich als Arzt getarnt, um die Menschen, die mit der Hoffnung auf Hilfe zu ihm kommen, auf seinem Operationstisch leerzuschlürfen ?“
    Ionosens strahlende blaue Augen verdunkelten sich. „Ogaire hatte schon immer ein Talent dafür, das Gute zu pervertieren und für seine eigenen widerwärtigen Zwecke zu missbrauchen. Er hat schon früh herausgefunden, dass die Lebensflamme eines Menschen unmittelbar vor seinem Tod noch einmal besonders hell zu leuchten beginnt und sich die Magie, die dieser Flamme innewohnt, im Augenblick des Sterbens auf eine einzigartige Weise verdichtet. Aus diesem Grund übernimmt er als Arzt auch meist die hoffnungslosen Fälle, bei deren Tod niemand Verdacht schöpft. Er weiß genau, wie weit er gehen kann, ohne aufzufallen.“ Ionosen stockte. Als er weitersprach, schwangen Bitterkeit und unterdrückter Zorn in seiner Stimme mit. „Hin und wieder – nicht so oft, um über die Grenzen Oakwoods hinaus bekannt zu werden, aber oft genug, um seinen Ruf als begnadeter Chirurg nicht zu gefährden – vollbringt er ein kleines Wunder und holt einen Patienten wieder ins Leben zurück, dessen Tod bereits unausweichlich schien. Auf diese Weise sichert er sich seine Position im Krankenhaus und sorgt dafür, dass die Quelle, an der er seine unersättliche Gier befriedigt, niemals versiegt.“
    Ionosen blickte zu Boden. Seine Zähne mahlten aufeinander, und seine Kiefermuskulatur verkrampfte sich. Andion spürte die Wut, die heiß in ihm loderte. „Du glaubst, ich wäre ein guter Heiler, Andion, aber du irrst dich. Im Vergleich zu Ogaire bin ich ein Nichts. Es ist wahrhaftig eine bittere Ironie, doch durch seinen skrupellosen Willen, alles Leben zu beherrschen, ist er auch zum besten Heiler geworden, den es jemals unter den Elfen gab. Ich bin lediglich in der Lage, Prellungen, Schnitte und Abschürfungen und mit etwas Anstrengung auch kleinere Frakturen zum Verschwinden zu bringen, er hingegen vermag selbst eine Seele, die bereits auf der Schwelle des Todes weilt, mit einer bloßen Bewegung seiner Hand zurück in ihren Körper zu zwingen und neues Leben in dessen erkaltete Muskeln hineinzupressen. Und niemand macht ihm einen Vorwurf, wenn das Wunder einmal ausbleibt.“
    „Das ... das ist abscheulich!“ Würgende Übelkeit zog Andion den Magen zusammen, und er keuchte voller Qual auf, als sich die ganze Bedeutung von Ionosens Worten mit schonungsloser Grausamkeit in sein Gehirn brannte.
    „Ogaire tötet die Menschen, um mich zu finden!“
    Ionosen nickte bekümmert. „Er hat niemals aufgegeben, nach dir zu suchen - oder nach deiner Mutter. Doch selbst wenn er die halbe Menschheit abschlachtet und sich an ihren magischen Kräften mästet, noch einmal wird er meinen Willen nicht überwinden können. Noch einmal werde ich nicht zulassen, dass er ...“
    Er brach ab, die Hände zu Fäusten geballt.
    Andion erschauerte vor dem Zorn, der in heißen Wellen von Ionosen ausstrahlte, doch er spürte auch die Verzweiflung, die darunter lag, ein so entsetzliches, alles durchdringendes Gefühl von Trauer und Scham, dass ihm sein eigener Schmerz, seine eigene Schuld mit einem Mal nichtig

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