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Wächter des Elfenhains (German Edition)

Wächter des Elfenhains (German Edition)

Titel: Wächter des Elfenhains (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gavénis
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besaß, aus dem Leib.
    Noch ein paar Sekunden zuvor hätte sie ihm lebend mehr genützt als tot; doch die Regeln des Spiels hatten sich gerade geändert. Nun brauchte er jede Unze Kraft, die er bekommen konnte, und er brauchte sie schnell. Aber ein Leben war nicht genug. Sein Sohn war mit Sicherheit bereits auf dem Weg zum Hain. Und natürlich würde Ionosen ihn beschützen.
    Ionosen. Zum ersten Mal seit Langem huschte eine Regung über Ogaires ausdrucksloses Gesicht. Der Prophet war stark, viel stärker als er erwartet hatte; das Feuer seines Hasses hatte ihn verändert, hatte seine Entschlossenheit und seinen Willen zu einer machtvollen Waffe geschmiedet, einem ehernen Schild, das selbst er nicht ohne Weiteres zu durchdringen vermochte. Ein Leben würde bei Weitem nicht ausreichen, um eine Bresche in seinen Schutzwall zu schlagen und die süße Frucht zu pflücken, die sich schon viel zu lange dahinter verbarg.
    Also nahm Ogaire auch noch die der anderen fünf Menschen im Raum, ließ sie als tote, verwelkte Hüllen in ihren Betten zurück. Hätten die Umstände es erlaubt, hätte er auf dem Weg nach draußen gern noch ein paar weitere Krankenbesuche gemacht, aber soviel Zeit blieb ihm nicht. Sechs mussten genügen.
    Keine drei Herzschläge später hatte er das Zimmer verlassen. Eingehüllt in einen Mantel aus schützender Magie, schritt er unsichtbar wie ein Geist die Korridore entlang. Über das Treppenhaus gelangte er in die Garage im Kellergeschoss, wo sein Auto stand. Ein schneller Wagen, gekauft und wartend allein für diesen einen Zweck.
    Er stieg ein, fuhr los, während Worte der Macht unaufhörlich über seine Lippen strömten. Sie fokussierten seinen Willen, woben Schleier aus knisternder Magie um seinen silbernen Ferrari, die ihn vor jedem menschlichen Auge – und besonders vor den wachsamen Blicken allzu pflichtbewusster Gesetzeshüter – verbargen.
    Kaum war er aus dem Parkhaus auf die Straße gebogen, beschleunigte er mit Höchstwerten, jagte mit halsbrecherischer Geschwindigkeit durch die Stadt. Niemand sah ihn, niemand schickte ihm empörte Rufe hinterher, obwohl er ein ums andere Mal andere Wagen nur um Haaresbreite verfehlte. Rasend schnell näherte er sich dem Park. Sein Sohn war noch immer dort, war noch nicht hinübergewechselt.
    Mit quietschenden Reifen schleuderte er um eine Ecke, rammte dabei fast einen Bus, der sich eben anschickte, in die Kreuzung einzufahren, deren rote Ampel er gerade ignoriert hatte, und jagte weiter seinem Ziel entgegen. Eine kalte Gewissheit erfüllte ihn. Noch einmal würde sein Sohn ihm nicht entkommen. Mit der Macht der sechs Leben, die er verschlungen hatte, würde er Ionosens magischen Schild zerschmettern, und dann würde er sich nehmen, was von Anfang an ihm gehört hatte.
    Ohne jede Vorwarnung brach sein Wagen plötzlich zur Seite aus, begann in wildem Zickzackkurs über die Fahrbahn zu schlingern, als jähe Böen ihn packten und wie ein weggeworfenes Spielzeugauto unkontrolliert hin und her schleuderten. Gleichzeitig rauschte eine massive Windhose aus Erde und Staub heran, schmetterte mit der Wucht einer niedersausenden Abrissbirne gegen die Windschutzscheibe und ließ sie in einer dichten Wolke aus Glas, Sand und Geröll in den Innenraum bersten.
    Ogaire bündelte seinen Willen, hüllte sich in eine schützende Blase aus magischer Energie, an der der prasselnde Hagelschauer innerhalb eines Sekundenbruchteils so vollständig verdampfte wie Schneeflocken, die auf eine heiße Herdplatte trafen, dann jagte er einen Pfeil aus konzentriertem Zorn hinaus in die kochende Luft, der die aufgebrachten Sylphen kreischend auseinander trieb.
    Doch so schnell er auch reagierte, es war bereits zu spät. Ein mörderischer Schlag erschütterte den Wagen, und die Welt zerbarst im ohrenbetäubenden Kreischen reißenden und sich verformenden Metalls, als der Ferrari nahezu ungebremst eine Straßenlaterne streifte, wie ein außer Kontrolle geratener Brummkreisel mehrere Dutzend Meter über den Asphalt schlitterte und schließlich mit Brachialgewalt gegen einen am Fahrbahnrand stehenden Baum prallte. Wie von der Faust eines Riesen getroffen, wurde die Beifahrerseite nach innen gedrückt, stießen scharfkantige Metallgrate wie Messer nach Ogaire, drohten, ihn zu zerquetschen.
    Er beachtete sie nicht einmal. Beiläufig bog er die Trümmer, die jedem Menschen vermutlich schwerste Verletzungen zugefügt hätten und aus denen er wohl nur mit äußerster Mühe und dem massiven Einsatz

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