Wächter des Elfenhains (German Edition)
von Schweißgeräten hätte befreit werden können, beiseite, trat auf die Straße und blickte suchend umher.
Auf der gegenüberliegenden Straßenseite entdeckte er einen Mann, der gerade dabei war, in sein parkendes Auto zu steigen. Mit einem einzigen leisen Wort brachte Ogaire ihn unter seine Kontrolle. Der Mann erstarrte zur Reglosigkeit, während er gleichzeitig für die Augen aller anderen ringsum unsichtbar wurde.
Mit ein paar wenigen schnellen Schritten trat Ogaire auf ihn zu, schlitzte ihm im Vorbeigehen die Kehle auf, entriss ihm Leben und Magie und stieg in den Wagen. Sekunden später brauste er von Neuem auf den Park zu. Die Sylphen kehrten nicht zurück.
Doch das mussten sie auch nicht. Er hatte sein Ziel beinahe erreicht, als plötzlich ein Schatten über die Motorhaube glitt, ein Schatten mit weißem Gefieder und mächtigen Schwingen, die zornig die Luft peitschten. Keinen Atemzug später krachte ein schwerer Steinbrocken auf die Windschutzscheibe herab, verwandelte sie mit einem scharfen Knall in eine stumpfe Masse gesplitterten Glases, die Ogaire abermals komplett die Sicht raubte.
Doch dieses Mal war er darauf gefasst gewesen. Er brachte den Wagen behutsam zum Stehen, stieß die Fahrertür auf und stieg aus. Mit unbewegter Miene sah er die Straße entlang in Richtung des Parks, ignorierte Esendion, der aufgeregt kreischend über ihm flatterte. Um dieses Ärgernis würde er sich ein anderes Mal kümmern; im Augenblick lagen seine Prioritäten woanders.
Für den Rest der Strecke benötigte er ohnehin kein Fahrzeug mehr. Er lief los, beschleunigte mit einer Geschwindigkeit, die kein Mensch jemals erreicht hätte, machte sich bereit, Ionosens magischen Schild zu zerschmettern.
Doch er kam zu spät. Im gleichen Moment, in dem er über eine weitläufige Rasenfläche auf das Wäldchen zustürmte, in dem sich der letzte Zugang befand, spürte er, wie sein Sohn die Grenze zum Hain passierte und das Wispern in seinem Geist langsam verklang. In der Elfenwelt konnte er ihn nicht erreichen - noch nicht. Auch Ionosen würde seinen Kopf heute noch einmal auf seinen Schultern behalten. Vermutlich floh er gerade aus dem Park. Er hatte seinen Sohn nicht begleitet.
Reglos starrte Ogaire einen Moment lang auf die knorrigen Eichen, die mit einer geradezu unverschämten Aura selbstgefälligen Triumphs vor ihm aufragten, dann wandte er sich ab. Natürlich wäre es von Vorteil gewesen, wäre Ionosen auch jetzt noch an der Seite seines Sohnes geblieben, aber im Grunde hatte er nicht wirklich damit gerechnet. Der Prophet war nicht so dumm, dass er die Konsequenzen eines solchen Handelns nicht vorausgesehen hätte. Doch letztlich spielte es keine Rolle, was er tat. Seine Ziele würden sich erfüllen, ob früher oder später, war bedeutungslos; schließlich waren die Möglichkeiten, die ihm offenstanden, bei Weitem vielfältiger, als selbst Ionosen ahnte.
Er konnte es sich leisten zu warten. Und während er wartete, würden sich sehr viele Menschen wünschen, sie hätten niemals die Bekanntschaft mit Dr. Crofton Wicklow, dem begnadeten Arzt des Oakwood General Hospital, gemacht. Nun, da er wusste, dass sein Sohn dem Ruf gefolgt war, würde er einen neuen Zauber wirken, größer und mächtiger als alle anderen zuvor, und dann würde diese lächerliche Scharade endgültig ihr Ende finden. Denn dann würde der Hain selbst ihm dienen. Das Herz des Waldes würde persönlich dafür sorgen, dass sein Sohn ihm unweigerlich in die Hände fiel. Sogar Ionosen, der große Elfenprophet, würde hilflos mit ansehen müssen, wie er seinem Schützling genüsslich das Leben und seine Magie aus dem Leib schlürfte, selbst wenn er seinen Plan rechtzeitig durchschauen sollte. Aber vermutlich war nicht einmal das der Fall.
8. Kapitel
Im ersten fahlen Licht des Morgens erwachte Neanden, wie so oft mit einem Schrei auf den Lippen, wie so oft mit dem grauenhaften Gefühl von Blut, das feucht an seinen Händen klebte, Blut, dessen warme Nässe durch den dünnen Stoff seines Hemdes drang, sich in schaurigen Lachen um ihn herum auf dem Boden sammelte – um ihn und die stumme, reglose Gestalt, die er weinend in seinen Armen hielt.
Keuchend starrte er in die Düsternis, versuchte seinen rasenden Herzschlag zu beruhigen, während die Bilder seines Traums noch immer in seinen Augen brannten, sich mit grausamen Widerhaken in seine Seele gruben, nicht zuließen, dass er vor den Schrecken seiner Erinnerung ins helle Licht des Tages floh.
Zitternd
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