Waechter des Labyrinths
Futter- und Wassertröge waren leer. Ihre Verärgerung über Petitier wuchs. Die Schuppentür quietschte, als sie hineintrat. An der linken Wand lehnten ein Besen, ein Spaten, eine Heugabel und andere Gartengeräte, vor der rechten stand ein Sack mit Hühnerfutter. Sie schaufelte eine Handvoll Körner heraus, warf sie durch den Maschendraht des Geheges und holte eine Schüssel Wasser aus dem Haus. Dann ging sie zurück ins Gehege, schüttete das Wasser in den Trog und sammelte im Stall elf Eier ein.
Als Nächstes schaute sie sich die Gewächshäuser an. Die Tür des ersten klemmte am Boden, als wäre sie seit Wochen nicht mehr geöffnet worden. Durch die schmutzigen Planen war es drinnen schummrig, es roch nach verfaultem Gemüse. Auf beiden Seiten des Mittelgangs waren Beete aus dunklem Mutterboden angelegt, darüber hingen Plastikrohre mit winzigen Löchern, aus denen Wasser sprenkeln konnte. Sie ging weiter, um nachzusehen, was in den vernachlässigten Beeten wuchs. Es gab Tomaten, Kartoffeln, Auberginen, Süßmais, Brokkoli, Granatäpfel, Paprika und Gurken in großer Fülle, mehr, als Petitier für sich und seine Tiere gebraucht haben konnte. Vermutlich hatte er den Überschuss in Agios Georgios oder Anopolis gegen andere Waren getauscht. Nachdem sie genug für sich und Iain gepflückt hatte, war sie froh, wieder an die frische Luft zu kommen.
Der Eingang des zweiten Gewächshauses war so überwuchert, dass sie Mühe hatte, sich durch das Dickicht zu kämpfen. Doch drinnen war es erstaunlich gut gepflegt und in einem wesentlich besseren Zustand als das erste. Mit wachsender Verwunderung ging sie den Gang entlang. In den Beeten wuchsen Krokusse, Mohnblumen, Marihuana und andere exotische Pflanzen. Ganz am Ende gab es einen Miniwald aus halluzinogenen Pilzen. Als sie die charakteristischen rot-weißen Hüte des Fliegenpilzes und die hellbraunen des Psilocybin-Pilzes sah, musste sie laut auflachen. Alle Achtung! Offenbar war der Mann ständig high gewesen. Sie ging zurück zum Haus. Der Hund war aufgewacht. Sie hoffte, sich mit dem Futter und dem Wasser, das sie ihm gegeben hatte, ein bisschen Zutrauen verdient zu haben, aber davon konnte keine Rede sein. Wenn überhaupt, dann hatte er nur wieder Kraft und Entschlossenheit gesammelt, um sein Territorium zu verteidigen. Er knurrte und fletschte die Zähne und zerrte so heftig an den Leinen, dass Gaille befürchtete, eine von ihnen könnte reißen. Na schön , dachte sie. Mach doch, was du willst. Sie legte die Eier und das Gemüse in die Speisekammer und machte sich dann wieder daran, Petitiers Tagebücher zu entschlüsseln.
IV
Michail war hocherfreut, Knox’ Willen so mühelos gebrochen zu haben. Aber als er sich zu Boris umdrehte, sah er in dessen Gesicht nur Zweifel. «Ja?», fragte er. «Möchtest du etwas sagen?»
Boris verzog das Gesicht, als wolle er sich im Voraus für einen Fehler entschuldigen. «Ich musste nur gerade an diesen Mann denken, von dem Sie erzählt haben, als wir angekommen sind. Der Professor, der das Goldene Vlies mit eigenen Augen gesehen hat. Der es sogar berührt hat. Erinnern Sie sich?»
«Natürlich erinnere ich mich. Was ist mit ihm?»
«Hat er … Ich meine, hat er Ihnen das alles freiwillig erzählt? Oder mussten Sie … Sie wissen schon?»
«Was spielt das für eine Rolle?», meinte Michail. «Er hat nicht gelogen, wenn du darauf hinauswillst. Er hat mir die Wahrheit gesagt.»
«Ja, bestimmt, aber woher wollen Sie …»
«Er hat mir die Wahrheit gesagt», wiederholte Michail verärgert. «Oder willst du mein Urteil in Frage stellen?»
«Nein, Sir. Natürlich nicht.»
«Gut.» Doch die Bemerkung hatte ihm die Laune verdorben. Es war an der Zeit, diesen Leuten zu zeigen, dass man seinem Urteil vertrauen konnte. Er schaute auf Knox hinunter. «Erzählen Sie mir, was passiert ist», verlangte er. «Fangen Sie von vorne an.»
«Es war alles Augustins Idee», sagte Knox schnell. «Ich wollte nichts damit zu tun haben.»
«Was war seine Idee?»
«Petitier kam zu ihm und hat ihn um Hilfe gebeten. Er dachte, jemand wäre hinter seinem Vlies her. Aber Augustin wollte es für sich haben. Es ist schließlich antik . Petitier rastete aus. Sie gingen aufeinander los. Und dann … Sie wissen schon. Aber er hat sich nur verteidigt.»
«Das hat er Ihnen erzählt?»
«Er hätte so etwas niemals absichtlich getan.»
«Klar!», schnaubte Michail. Es erstaunte ihn immer wieder, wie leichtgläubig die Menschen waren. «Und was ist
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