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Waechter des Labyrinths

Waechter des Labyrinths

Titel: Waechter des Labyrinths Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Adams
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Kugeln in seine Brust und in den Hals schlugen. Dann war er tot.

II
    Wie ein ungeschriebener Dankesbrief bereitete der Hund Gaille auch weiterhin Gewissensbisse. So konnte sie nicht arbeiten. Sie ging mit einem Krug Wasser und ein paar Schinkenscheiben nach draußen. Die hochstehende Sonne brannte auf ihrer Haut, und sie fragte sich, wie der Hund das aushielt, der überhaupt keinen Schatten hatte. Er stand einfach mit heraushängender Zunge da und hechelte. Immerhin stürzte er dieses Mal nicht wie ein Wilder auf sie zu, vielleicht weil er zu erschöpft war, vielleicht aber auch, weil ihn die veränderte Beziehung genauso unschlüssig machte wie sie.
    Da sie nicht an seine Schüsseln herankam, ohne dass er sie hätte anfallen können, stellte sie den Teller mit dem Schinken und den Wasserkrug in sicherer Entfernung ab und hoffte, dass er nicht glaubte, sie würde ihn nur ärgern wollen. Dann holte sie die Flinte von drinnen und schob damit die Schüsseln zu sich heran. Ohne einen Laut von sich zu geben, beobachtete der Hund, wie sie die Schinkenscheiben hineinlegte. Zu viel wollte sie ihm nicht geben, denn sie wusste nicht, was er sonst zu fressen bekommen hatte. Und sie wollte nicht, dass er krank wurde. Dann füllte sie seine Wasserschüssel auf und schob beide zu ihm hin.
    Der Hund war so hungrig, dass er dieses Mal nicht wartete, bis sie weg war. Als er den Schinken verschlang, wanderten seine Blicke immer wieder verschämt zu ihr. Doch allmählich schien er ihre Anwesenheit zu akzeptieren, sodass sie das Gefühl hatte, einen Schritt weitergehen zu können. Sie holte tief Luft und näherte sich ihm langsam und vorsichtig. Sie konnte sehen, wie unter seinem Fell die Sehnen zuckten, aber er rührte sich nicht. Als sie innerhalb der Reichweite der beiden Leinen war, blieb sie gespannt stehen. Er knurrte und fletschte die Zähne, scheinbar bereit, sich jederzeit auf sie zu stürzen. Doch das wirkte recht halbherzig, und als sie nicht zurückwich, schaute er weg und tat so, als hätte er das Interesse an ihr verloren. Sie blieb vollkommen reglos stehen und tat nichts. Er schaute sie wieder an, diesmal ohne zu knurren. Seine Augen waren traurig und feucht. Sie wusste, dass es falsch war, menschliche Gefühle auf Tiere zu übertragen, aber in diesem Moment meinte sie zu bemerken, wie unglücklich er war, als Wächter dieses Ortes zurückgelassen worden zu sein und versagt zu haben. Sie hockte sich langsam hin und streckte eine Hand aus. Und mit einem Mal veränderte sich alles. Den Kopf gesenkt und den Schwanz eingezogen, schlich er heran und beschnüffelte sie mit seiner feuchten Schnauze. Dann drehte er sich abrupt wieder um, trottete zurück zu seinen Schüsseln und schlürfte gierig Wasser.
    Sie folgte ihm langsam und murmelte beschwichtigende Worte vor sich hin, damit er sie nicht als Bedrohung wahrnahm. Sie streichelte ihm den Kopf und den Rücken. Sein Fell war krätzig und mit wunden Stellen und Schorf bedeckt, sein Hinterteil entzündet und mit Kot verschmiert. Nachdem er den Schinken aufgefressen hatte, schaute er von seiner leeren Schüssel hoch zu ihr, nicht so, als würde er mehr fordern oder erwarten, aber voller Hoffnung. Ein Blick, der ihr einen solchen Stich versetzte, dass sie seine Schüssel mit plötzlicher Zuneigung noch einmal auffüllte. Dann setzte sie sich an einen Orangenbaum und beobachtete zufrieden, wie er alles verschlang.

III
    Michail sah zu, wie Edouard gegen die Wand schleuderte und dann seitlich in die Dusche fiel, wobei er den schillernden Vorhang mit sich riss und dunkelrot verfärbte. Edouards Blut war ihm ins Gesicht und auf die Hände gespritzt. Er betrachtete sich im Spiegel über dem Waschbecken und wischte das Gröbste weg.
    Das Handy, das Edouard aus der Hand gefallen war, begann auf dem Boden zu vibrieren und sich langsam zu drehen. Der Klingelton war abgestellt worden. Michail bückte sich, um es aufzuheben und den Anruf entgegenzunehmen. «Ja?», meldete er sich.
    «Ich will mit Edouard sprechen», sagte ein Mann.
    «Zu spät.»
    «Wer ist da?»
    «Das Gleiche könnte ich fragen.»
    «Edouard steht unter meinem Schutz», sagte der Mann. «Wenn ihm etwas zustoßen sollte …»
    «Wie gesagt: zu spät.» Michail beendete das Gespräch und schaute im Menü nach, welche Nummern in letzter Zeit angerufen worden waren. Es waren ausschließlich georgische, keine regionalen. Immerhin. Wahrscheinlich blieb ihnen noch etwas Zeit, bis die griechische Polizei eintraf. Er drehte sich

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