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Waechter des Labyrinths

Waechter des Labyrinths

Titel: Waechter des Labyrinths Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Adams
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«Ich bitte Sie.»
    Michail legte ihm erneut das gefaltete Handtuch aufs Gesicht. Vor Knox’ Augen wurde es dunkel, sein Herz begann zu rasen. Er hörte auf und ab gehende Schritte, die eine Spannung aufbauten und seine Angst noch steigerten. «Weißt du, was der Zweck von Folter ist, Zaal?», fragte Michail.
    «Informationen zu kriegen, Sir?»
    «Nein», entgegnete Michail. «Informationen sind das Ergebnis der Folter, aber nicht ihr Zweck.»
    «Das verstehe ich nicht ganz, Sir.»
    «Der Mensch hat ein Bewusstsein, Zaal. Das unterscheidet ihn von den Tieren. Unser Geist ist losgelöst vom Körper, unsere Gedanken von unseren Worten. Wenn man so will, sind wir alle Puppenspieler, die unsere eigenen Fäden ziehen. Bei normalen Verhören bleibt diese Kluft bestehen, diese Trennung von Geist und Körper. Sie erlaubt es Menschen wie unserem Mr.   Knox, sich ihre Antworten zu überlegen und nur das zu sagen, was ihnen ihrer Meinung nach am meisten nützt. Der Zweck der Folter ist es, diese Kluft auszumerzen, sodass die Gedanken des Subjekts nicht mehr von seinen Worten losgelöst sind.»
    «Um die Menschen zu Tieren zu machen?»
    «Genau, Zaal. Sehr schön formuliert. Das Problem ist natürlich, dass man ein bestimmtes Maß an Schmerz braucht, um diese Kluft auszumerzen, Menschen unter diesen Schmerzen aber nicht sprechen können. Deshalb muss der Schmerz nachlassen, wenn die eigentliche Befragung durchgeführt wird. Und sobald die Schmerzen nachlassen, wächst diese Kluft wieder, das Subjekt erlangt wieder etwas Kontrolle über seine Fäden. Das wahre Ziel der Folter ist also, diese Kluft für immer zu eliminieren, und das erreichen wir durch Angst. Nicht durch das Zufügen von Schmerzen, sondern durch die Angst davor. Pass auf.» Als Knox’ Füße angehoben wurden und er das schwappende Wasser hörte, bäumte er sich auf und versuchte, um sich zu treten und zu schreien. «Siehst du», sagte Michail. «Ich tue ihm überhaupt nichts. Ich hebe nur seine Füße hoch. Aber jetzt wird er mir genau das erzählen, was ich wissen will.» Er nahm das Handtuch weg und löste den Knebel. «Nicht wahr, Mr.   Knox?»
    «Ja», meinte Knox weinend.
    «Und, was will ich haben?»
    «Das Vlies. Sie wollen das Goldene Vlies.»
    «Sie haben es, richtig?» Er faltete das Handtuch, als wollte er es ihm erneut aufs Gesicht legen.
    «Ja», schrie Knox. «Ich habe es! Ich habe es! Ich habe es!»
    «Siehst du», sagte Michail. «So funktioniert Folter.»

III
    Gaille hatte bereits ausprobiert, ob Petitiers Tagebuchcode auf Französisch, Englisch, Deutsch, Neu- oder Altgriechisch basierte. Aber vielleicht musste sie es mit weiteren Sprachen versuchen. Sicherlich war er sprachbegabt gewesen wie alle Archäologen, was nicht nur daran lag, dass sie in der Praxis ständig mit alten Sprachen zu tun hatten, sondern auch daran, dass die wichtige Fachliteratur noch immer auf Englisch, Deutsch oder Französisch erschien.
    Welche anderen Sprachen hatte Petitier also beherrscht? Sie schaute in den Bücherregalen nach. Er besaß ein paar Werke auf Italienisch und Spanisch. Unweigerlich fiel ihr auf, dass viele Bände noch wie neu aussahen, außerdem entdeckte sie mehrere Bücher, die erst vor kurzem veröffentlicht worden waren. Solche wissenschaftlichen Texte waren nicht billig. Bedachte man dazu die Solarzellen auf dem Dach und die gutgefüllte Speisekammer, bekam man den Eindruck, dass Petitier nicht aus Geldnot auf die Idee gekommen war, mit seinen Entdeckungen an die Öffentlichkeit zu gehen. Sie ging zurück zu ihrem Stuhl, doch ihr rauchte der Kopf. Sie wusste, dass sie nur vorankommen würde, wenn sie ihn freibekam. Sie ballte und spreizte die Hände fünfzehnmal, ein alter Studententrick, der leider seine Wirkung verloren zu haben schien. Also ging sie nach draußen, um etwas Bewegung und frische Luft zu bekommen.
    Der Schäferhund machte zur Abwechslung mal ein Nickerchen. Sie ging um das Haus herum. Auf einer Lichtung stand ein Pferch, in dem vermutlich der Hund eingesperrt worden war, wenn er nicht vor der Tür Wache halten musste. Er war zwei Quadratmeter groß und aus Maschendraht, ein hässlicher, unbequemer Zwinger, der keinen Schatten bot und offenbar seit Monaten nicht mehr gesäubert worden war, wie die vertrockneten Kothaufen zeigten.
    Hinter dem Haus war ein Zitrushain, dahinter ein Schuppen und dann, außer Hörweite des Hauses, ein Hühnergehege mit einem Holzstall. Die Hühner liefen gackernd davon, als Gaille näher kam. Die

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