Waechter des Labyrinths
verrückt kann er nicht sein. Er ist auf der Flucht, vergessen Sie das nicht. Er muss wissen, dass wir ihm auf die Spur kommen. Bestimmt will er untertauchen.»
«Nein», entgegnete Knox. «Er ist hinter Gaille her.»
Am anderen Ende der Leitung war ein Ruf zu hören. «Bleiben Sie einen Moment dran», bat Angelos. Knox konnte zornige Stimmen und gegenseitige Anschuldigungen hören. Das Handy ans Ohr gepresst, lief er weiter. Der Weg wurde immer schlechter, bis er ganz versperrt war. Unter den Bäumen davor parkten zwei Autos. «Okay», sagte Angelos. «Hier kommen die neuesten Nachrichten. Der Flughafen in Iraklio hat bestätigt, dass gestern am späten Abend ein Mann namens Jannsen gelandet ist. Er hat sich einen Wagen gemietet. Einen Mazda.»
«Moment mal», sagte Knox. «Das Kennzeichen ist nicht zufällig HKN 1447, oder?»
«Woher wissen Sie das denn?»
«Er ist hier», sagte Knox wie betäubt. «Er ist vor mir hier angekommen.»
EINUNDVIERZIG
I
Argo zog Gaille wild entschlossen weiter in den Stechginster und durch die dornigen Sträucher, sodass ihre Hände und Arme schon völlig zerkratzt waren. Als sie fast über einen Stein gestolpert wäre, schrie sie auf und zerrte ihn so heftig zurück, dass der Hund schließlich überrascht stehenblieb. Gaille fand ihr Gleichgewicht wieder und schaute sich um.
Iain lief hinter ihr durch den Ginster, aber das war es nicht, was ihr einen Schock versetzte. Viel schlimmer war, dass eine dritte Person aufgetaucht war, ein Mann in Jeans und grünem T-Shirt, der eine tief ins Gesicht gezogene blaue Baseballkappe trug. Auch er hatte den Eingang zum Labyrinth gefunden und war ihnen durch den Ginster gefolgt.
Iain schien Gailles Blick zu bemerken, denn er wirbelte herum und sah den Mann. «Wer sind Sie denn, verdammt?»
Der Mann hob beruhigend die Hände. «Keine Angst», sagte er. «Ich bin ein Freund.»
Iain nahm die Flinte von der Schulter und richtete sie auf den Mann. «Das zu beurteilen, müssen Sie schon mir überlassen», sagte er. «Wie heißen Sie? Was machen Sie hier?»
«Ich heiße Michail», antwortete der Mann. Er breitete seine Arme aus, ging aber trotzdem weiter auf Iain zu und deutete mit einer freundlichen Kopfbewegung auf Gaille. «Ihr Freund Daniel schickt mich. Er macht sich unglaubliche Sorgen um Sie. Sie hätten ihn anrufen sollen.»
«Wir haben hier keinen Empfang», erwiderte Gaille.
«Ach so», meinte er. «Ist das der einzige Grund, dass Sie sich nicht gemeldet haben?»
«Bleiben Sie, wo Sie sind», verlangte Iain.
«Bitte nehmen Sie das Ding runter», sagte Michail. «Ich hasse Waffen.»
«Bleiben Sie, wo Sie sind, habe ich gesagt.»
«Ich bin einer von den Guten», sagte Michail, ohne stehenzubleiben. «Ich kann es beweisen.» Wie ein Verkehrspolizist hob er eine Hand, griff dann mit der anderen hinter sich und zog ein Jagdmesser aus seinem Gürtel.
«Was soll die Scheiße?», murmelte Iain und entsicherte die Flinte. «Stehenbleiben!»
Aber es war zu spät, Michail war bereits bei ihm. Mit der linken Hand schlug er den Lauf der Flinte zur Seite, dann stieß er Iain das Messer in die Rippen, hob ihn einen Moment vom Boden und drehte die Klinge heftig herum. Die Flinte ging mit einem lauten Knall los und fiel krachend zu Boden. Als Michail das Messer herauszog, sackte Iain auf die Knie und kippte dann mit einem entsetzlichen Stöhnen nach hinten um. «Waffen töten Menschen nicht», erklärte Michail, als würde er mit einem Kind sprechen, während er die Klinge an Iains Ärmel abwischte und sich das Messer wieder in den Gürtel steckte. « Menschen töten Menschen.» Dann hob er die Flinte auf und drehte sich zu Gaille um.
Erst in diesem Moment erkannte sie in ihm den Mann aus dem Fahrstuhl wieder. Er sah es ihr an und grinste. «Ich habe doch gesagt, dass ich mir Gesichter gut merken kann», meinte er.
II
Der Mazda war abgeschlossen, doch auf dem Beifahrersitz sah Knox eine aufgerissene Verpackung. «Er ist bewaffnet», berichtete er Angelos düster. «Er hat sich ein Jagdmesser besorgt.»
«Machen Sie keine Dummheiten. Ich schicke Streifenwagen.»
«Streifenwagen?», fragte Knox. «Wie lange wird es dauern, bis die hier sind? Für Gaille ist es dann zu spät.»
«Ich fordere einen Hubschrauber an. Ich rufe die Armee.»
«Das wird trotzdem Stunden dauern», sagte Knox. «So lange kann ich nicht warten. So lange kann Gaille nicht warten.» Der Pfad führte im Zickzack hinauf zu einem Gebirgspass, doch Knox nahm den direkten
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