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Waechter des Labyrinths

Waechter des Labyrinths

Titel: Waechter des Labyrinths Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Adams
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zu. «Aber da war noch etwas anderes. Mir war es entgangen, weil ich kein Experte für Sprachen bin. Aber einem meiner Kollegen ist es sofort aufgefallen. Von den Siegeln mit Linear-A-Inschriften war zwar keines entzifferbar, aber zwei von den Linear-B-Siegeln. Auf jeden Fall jeweils ein Wort auf ihnen.»
    «Und?»
    «Das erste Wort war ‹gold› oder ‹golden›.»
    «Und das zweite?»
    Ein leicht verlegener Ausdruck breitete sich auf Nicos Gesicht aus. «Es bedeutete ‹Vlies›», sagte er.

SIEBEN

I
    Edouard hob benommen die Hände, während Michail Nergadse mit der Schrotflinte auf sein Gesicht zielte. «Bitte nicht schießen», bat er.
    «Geben Sie mir einen guten Grund.»
    «Ich bin Edouard Zdanevich», brachte er hervor. «Ich arbeite für Ihren Vater. Er hat mich geschickt, um …»
    «Der Antiquitätenexperte.»
    «Genau.»
    Michail hielt seine Flinte noch einen Moment auf Edouards Gesicht gerichtet, vielleicht um ihn zu prüfen, eher aber um zu zeigen, wer die Kontrolle hatte. Doch dann senkte er sie. «Ich habe Boris und ein paar andere erwartet.»
    «Die müssten gleich kommen. Sie hatten noch etwas zu erledigen …»
    Aus dem Zimmer hinter Michail drang plötzlich ein erstickter Schrei. Eine Frau, die offensichtlich Angst und Schmerzen hatte. Edouard schaute erschrocken hoch. Sie schrie wieder auf, dieses Mal lauter und deutlicher, als hätte sie es geschafft, sich von einem Knebel zu befreien. Die Stimme klang jung. «Wer ist das?», fragte er.
    «Und was geht Sie das an?»
    Das Mädchen schrie wieder, ängstlich, flehend, voller Panik. Edouard konnte die schnellen griechischen Worte nicht verstehen, doch was sie antrieb, war mehr als eindeutig. Er zögerte. Michail lächelte ihn an, als wüsste er genau, was Edouard durch den Kopf ging, und als wäre er neugierig, wie er reagieren würde. Da Edouard nicht einfach stehen bleiben konnte, stieg er die Stufen hinauf und unterdrückte seine Angst, als er an Michail vorbei auf die Zimmertür zuging. Dann hielt er entsetzt inne. Das Mädchen lag nackt auf der Matratze, alle Laken, Kissen und Decken waren auf dem Boden verteilt. Als sie ihn sah, drehte sie sich weg und versuchte, sich mit dem rechten Arm zu bedecken. Ihre Bewegungen waren so unbeholfen, dass sich Edouards Aufmerksamkeit auf ihr linkes Handgelenk richtete: Es war mit Handschellen an den Bettpfosten gefesselt. Angesichts ihrer kleinen Brüste, der speckigen Hüften und des flaumigen Schamhaars schätzte er sie auf ungefähr fünfzehn Jahre. Genauso alt wie seine Zwillinge. Ihre Oberarme und ihre Brust wiesen zahlreiche blaue Flecke auf, nahe ihrem Bauchnabel schien sich die Glut einer Zigarette in ihre Haut gebrannt zu haben, und der rote Striemen um ihren Hals sah aus, als wäre sie beinahe erwürgt worden. Wenn ihr Haar nicht durch Tränen und Blut wie eine Maske auf dem Gesicht geklebt hätte, wäre sie bestimmt hübsch gewesen. Auf der Matratze waren außerdem rote Blutspritzer, dazu andere Flecken, deren Herkunft Edouard lieber nicht erforschen wollte. Er drehte sich zu Michail um. «Verdammt, was haben Sie mit ihr gemacht?», fragte er entsetzt.
    «Nichts, was sie nicht wollte.»
    «Wie können Sie das sagen? Sehen Sie sie an! Sie fleht Sie an, sie freizulassen.»
    «Was jemand sagt, ist nicht unbedingt das, was er will.»
    Edouard schüttelte den Kopf. «Wie alt ist sie?»
    «Woher soll ich das wissen?»
    «Haben Sie sie nicht mal danach gefragt?»
    Michail lachte. «Wenn Sie sich sehen könnten! Sie wollen sie doch nur selbst, oder?»
    «Sie sind krank.»
    «Na los. Sie hat nichts dagegen, glauben Sie mir. Sie wird es genießen.»
    «Was sind Sie nur für ein Mensch?»
    «Genauso ein Mensch wie Sie, wenn Sie Eier hätten.»
    «Ich mache sie los», sagte Eduard. «Wo sind die Schlüssel?»
    «Ich bin noch nicht fertig mit ihr.»
    «Doch, das sind Sie.» In dem Moment war er unerschrocken und schaute Michail direkt an, denn er war sicher, dass Rechtschaffenheit genügte. Doch Michails eisig blaue Augen durchbohrten sein Selbstbewusstsein. Zu spät wurde ihm klar, dass dieser Mann anders war als die, mit denen er sonst zu tun hatte, anders sogar als die restlichen Nergadses. Sein Herz begann zu rasen, sein Mund wurde trocken, und er nahm einen leicht sauren Geschmack wahr, den er intuitiv als seine eigene Angst erkannte und der eine ungute Erinnerung in ihm hervorrief: Vor Jahren, als er in einem Restaurant in Tiflis darauf gewartet hatte, an den Tisch geführt zu werden, war ein

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