Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Waechter des Labyrinths

Waechter des Labyrinths

Titel: Waechter des Labyrinths Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Adams
Vom Netzwerk:
natürlich geneigt, alle historischen Verbindungen mit Griechenland hervorzuheben und diejenigen mit Ägypten und der Türkei herunterzuspielen. Und fast exakt zu dieser Zeit begann Evans mit seinen Ausgrabungen in Knossos. Allerdings musste man ihn nicht dazu ermuntern, Kreta griechischer dastehen zu lassen. Sein Kopf war so vollgestopft mit griechischen Mythen und Sagen, dass er schon nach einer Woche Grabung Ariadnes Bad fand. Nicht irgendein Bad oder vielleicht ein königliches Bad. Nein. Ariadnes . Danach entdeckte er den minoischen Thronsaal, und so ging es immer weiter. Das war keine Archäologie. Das war Legendenbildung.»
    Knox lachte. «Und das alles hat Petitier tatsächlich bei einer Gedenkfeier für Evans gesagt?»
    Franklin nickte. «Und an seinen Worten ist eine Menge dran, muss man gerechterweise zugeben. Wäre Knossos zum Beispiel von einem Ägyptologen ausgegraben worden, hätten wir heute mit ziemlicher Sicherheit eine völlig andere Sichtweise auf das minoische Kreta. Wir würden es für den westlichen Teil des östlichen Mittelmeers halten und nicht für den südlichsten von Griechenland. Aber sobald sich eine Meinung im öffentlichen Bewusstsein verankert hat, ist es fast unmöglich, sie zu revidieren.» Er seufzte betrübt. «Den Leuten ist einfach nicht bewusst, wie viel ägyptisches Material im Zusammenhang mit der minoischen Kultur gefunden wurde. Zum Beispiel Keramik, Schmuck, Elfenbein, Siegel und Skarabäen. Oder Musikinstrumente, Waffen, Lampen und was man sich noch alles vorstellen kann. Die minoische Kultur wird wegen ihres Stierkults und besonderen Kunststils gemeinhin als einzigartig betrachtet, aber dabei hat man Anzeichen für den Stierkult in ganz Europa und Kleinasien gefunden, und Kunstwerke im identischen Stil wurden unter anderem in Tell el-Daba entdeckt. Ganz zu schweigen von den auffälligen Hinweisen, die wir uns über die Sprache erschließen können. Das Wort minoisch leitet sich zum Beispiel von Kretas legendärem König Minos ab. Aber Minos war weniger ein Eigenname als vielmehr ein Titel. Und wer war Ägyptens erster Pharao?»
    «Menes», antwortete Knox.
    «Der nach der Überlieferung Ober- und Unterägypten vereinigt hat», meinte Franklin nickend. «Trotzdem behauptet die moderne Wissenschaft, dass auch Menes ein Titel sei. Wie Sie wissen, hatten die Ägypter keine Vokale, wir können also nur sagen, dass der Name die Konsonanten MNS enthielt, genau die gleichen wie Minos. Zufall?»
    «Wahrscheinlich», meinte Knox. Plötzlich ging das Licht im Auditorium des Pavillons an. Als er sich umschaute, sah er, dass sich die ersten Konferenzteilnehmer im hinteren Bereich versammelt hatten und dort plauderten und Kaffee tranken. Aber von Nico war noch nichts zu sehen.
    «Die Ägypter richteten wichtige Gebäude nach dem Sonnenaufgang aus», fuhr Franklin fort, obwohl sich Knox abgewandt hatte. «Das taten auch die Minoer. Wussten Sie, dass an bestimmten Tagen des Jahres die ersten Strahlen der aufgehenden Sonne durch die Flügeltüren in Knossos fielen und den Thronsaal in Licht tauchten? Und schauen Sie sich die Religion an: Osiris und Isis sind die zentralen Götter der ägyptischen Mythologie. Sie besaßen eine seltsame Unsterblichkeit und wurden aus sich selbst geboren. Das Gleiche traf auf die minoischen Götter zu. Dionysos wurde als junger Mann und als bärtiger König angebetet. Demeter als Jungfrau, Mutter und altes Weib. Das ist eine durch und durch ägyptische Theologie, die man auf Kreta übernommen hatte und die genau hier in Eleusis zur Grundlage der griechischen Religion wurde.»
    «Apropos», meinte Knox lächelnd und stand auf. «Ich sollte wirklich noch einmal meinen Vortrag durchgehen, bevor ich …»
    «Da ist noch etwas», sagte Franklin und hielt Knox am Ärmel fest. «In Eleusis wurde ein Fruchtbarkeitskult gefeiert, vergessen Sie das nicht. Es ging also vor allem um die Landwirtschaft.»
    «Entschuldigen Sie, aber ich muss wirklich …»
    «Warten Sie. Das ist noch nicht alles. Denn Petitier war davon überzeugt, dass die Landwirtschaft der Schlüssel war, um zu verstehen, wie sich Religion und Kultur in der antiken Welt verbreitet haben. Er hat ein Weltbild gezeichnet, in dem riesige goldene Ebenen aus Weizen und Gerste wie die Sonne aus Osten kamen und Sozialisation, Technologie und Aufklärung mit sich gebracht haben. Und er war davon überzeugt, dass eine solch vorteilhafte Entwicklung in die griechischen Sagen eingegangen sein musste. Und da

Weitere Kostenlose Bücher