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Waechter des Labyrinths

Waechter des Labyrinths

Titel: Waechter des Labyrinths Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Adams
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Veröffentlichung zu heiß war, hatte sie ihren eigenen Internetblog begonnen.
    Sie lockerte den Kragen ihres Mantels ein wenig, obwohl aus dem Nieseln mittlerweile richtiger Regen geworden war. Ein paar Regenschirme wurden aufgespannt, die sie zwangen, ihre Augen vor den scharfen Spitzen zu schützen. Musik plärrte aus einer Bar, ein anonymes Lokal mit schummrigem Licht, Milchglasfenstern und abgetrennten Sitznischen. Ein Lokal, in dem Trinker mit ihrem Laster allein sein konnten. Ein großer Kellner mit greller Krawatte begrüßte sie an der Tür und führte sie hinein ins düstere Innere. «Wodka», bestellte sie, denn Wein würde heute Abend nicht reichen. Er nickte verständnisvoll, so als könnte er ihr ansehen, was in ihr vorging, und als wüsste er, dass es nicht bei einem bleiben würde.

FÜNFUNDZWANZIG

I
    Es war eine herrliche Nacht. Der Himmel war klar, und die Luft roch leicht nach Lavendel und Geißblatt. Iain und Gaille saßen vor den Resten ihrer Nudeln mit Tomatensauce und starrten in den phantastischen Sternenhimmel, während über die blassen Mauern grau-grüne Geckos flitzten und in den umliegenden Feldern die Grillen zirpten. «Was für eine Nacht», murmelte Gaille.
    «Da fühlt man sich der Geschichte ein Stückchen näher, oder?», meinte Iain. «Einer unserer Archäologen hat sich auf das Lasithi-Plateau zurückgezogen, als er in Rente gegangen ist. Zum Jahreswechsel habe ich gehört, dass es ihm nicht so gutgehen soll, daher bin ich los, um mal nach ihm zu sehen. Zum Glück war alles in Ordnung. Doch dann setzte ein Schneesturm ein, wie du ihn noch nie erlebt hast. Das geht hier manchmal ganz schnell. Jedenfalls war ich gut eine Woche bei ihm eingeschneit. Was sich echt als Glückfall erwiesen hat. Er kann nämlich die großartigsten Geschichten erzählen. Außerdem hat er ein Teleskop auf dem Dach. Wir haben einen unglaublichen Meteoritenschauer beobachtet. Kannst du dir vorstellen, wie sich die Minoer dabei gefühlt haben müssen? Oder stell dir mal vor, wenn ein Meteorit auf die Erde trifft! Ich meine, das sieht doch hier fast so aus wie ein riesiger Einschlagkrater, oder?»
    «Daran habe ich noch gar nicht gedacht. Aber du hast recht.»
    «Ich glaube nicht, dass hier ein Meteorit eingeschlagen ist, aber man kann nie wissen. Denn wenn Petitier hier tatsächlich etwas gefunden hat, dann könnte das der Grund dafür sein. Für die Minoer war Eisen nämlich heilig, weil es damals im Grunde ausschließlich von Meteoriten stammte.» Er streckte ein Bein aus und streifte mit seinem Fuß dabei Gailles Knöchel. Sie zog ihr Bein zurück, da sie sich nicht ganz sicher war, ob das absichtlich passiert war. «Es gab da eine Ausgrabungsstätte in Anemospilia», fuhr er fort. «Man fand dort die Leiche eines jungen Mannes, der geopfert worden war, um die Götter zu beschwichtigen. Was allerdings nicht viel gebracht hat, denn inmitten der Zeremonie ist das Dach eingestürzt und hat auch den Priester und ein paar andere Teilnehmer getötet. Er trug einen Eisenring. Ich meine, der Priester, nicht der arme Kerl, der geopfert wurde.» Er schüttelte amüsiert den Kopf. «Man hält die Minoer im Allgemeinen für sehr zivilisiert, weil sie Göttinnen anbeteten und ihre Paläste mit hübschen Fresken von Vögeln und Lilien geschmückt haben. Aber das entspricht wohl nicht ganz der Wahrheit. In Knossos haben wir eine Grube voller Kinderknochen gefunden, und anhand der Knochenspuren kann man davon ausgehen, dass sie genauso abgeschlachtet wurden wie Vieh für den Kochtopf.»
    «Oje.»
    «Sie waren natürlich auch nicht schlimmer als andere. Damals war das bei allen Völkern üblich. Die Minoer waren den Kulturen, die sie umgeben haben, wesentlich ähnlicher, als wir glauben wollen. Das ist im Grunde die Prämisse meines Buches.»
    «Du meinst Die pelasgische und die minoische Ägäis: Ein neues Paradigma ?»
    «So hieß das Baby», meinte Iain lachend. Er nahm ein paar auf dem Dach liegende Steine und begann mit ihnen zu jonglieren. «Wir haben diese ganzen, sich überschneidenden Berichte von Leuten, die in der prämykenischen Ägäis lebten. Die Griechen nannten sie Pelasger. Sir Arthur Evans nannte sie Minoer. Handelt es sich dabei um ein und dasselbe Volk oder um zwei verschiedene? Und hatten sie eine Verbindung zu den Philistern oder den Seevölkern, oder den Hyksos und so weiter? Und, etwas allgemeiner ausgedrückt, bestand das Mittelmeer aus einer Reihe isolierter Kulturen mit minimalen Verbindungen

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