Wächter des Mythos (German Edition)
befindet sich in meiner Obhut, ich verbürge mich für ihren Schutz.«
»Tun Sie, was Ihre Pflicht ist! Ich wünsche Ihnen nur, dass Gott ein wachsames Auge auf Sie wirft.«
»Das liegt alles in Gottes Hand …«, antwortet Sandino trocken, doch da knackte es bereits im Mobiltelefon, Kardinal Walter hatte das Gespräch schon beendet. Sandino überlegte, wie weit sich der Kardinal ihm in den Weg stellen würde. Dann machte er sich frisch und ging zum Frühstück.
Wie es nicht anders zu erwarten war, hatte Alina nach den Ereignissen der letzten 24 Stunden wie ein Stein geschlafen. Sie war erfrischt erwacht, denn die Verwirrung des vergangenen Tages hatte sie im Schlaf besiegt. Als Sandino in den Frühstücksraum kam, saß sie schon an einem der Tische.
»Gut geschlafen?«, fragte er.
Alina nickte. »Wirklich, erstaunlich gut. Nicht die Spur eines Albtraums.«
»Ich auch nicht«, erklärte Sandino, der ihr gegenüber Platz genommen hatte. »Das ist wirklich verwunderlich, wenn man bedenkt, was alles passiert ist.«
»Übrigens, ich habe heute Morgen mit Gabriel telefoniert. Es geht ihm den Umständen entsprechend sehr gut. Ich habe ihm erzählt, dass wir gerade mit dem Auto zum Blutwunder nach Spanien unterwegs sind.«
»Und, was hat er dazu gesagt?«
»Wir sollen lieber noch ein paar Tage pilgern, auf ihn warten und nichts überstürzen.«
Sie nahmen sich Zeit, gemütlich zu frühstücken, dann machten sie sich um neun Uhr wieder auf den Weg. Sie fuhren an der Atlantikküste entlang von Bayonne bis Bilbao und bogen dann in Richtung Burgos ab.
* * *
Sebastiano schaltete das Autoradio aus, die Musik begann ihn zu nerven, anstatt ihn zu beruhigen. Er hegte immer noch einen Groll auf Kardinal Walter, er hatte ihn gebrandmarkt und damit auch Gott gelästert.
»Ich bin Gottes Werkzeug, und was immer auch geschehen ist, es war Gottes Wille«, dachte Sebastiano bitter.
Am späten Abend hatte der Kardinal endlich angerufen, um ihm die Koordinaten des Priesters durchzugeben. Sein Techniker hatte überrascht festgestellt, dass Monsignore Sandino de Vegio im Begriff war, halb Frankreich zu durchqueren. Deshalb hatte sich Sebastiano noch vor Mitternacht übereilt auf den Weg gemacht, um ihm zu folgen.
Während der Fahrt durch die endlose Nacht haderte er mit sich und verfluchte zwischendurch den Kardinal. Immer wieder kamen ihm seine blasphemischen Worte in den Sinn: ›Damit ist die ganze Sache zum Scheitern verurteilt‹ … ›Dieser Erzbischof ist für mich wie pures Gift‹ … ›Mir sind ab sofort beide Hände gebunden, weil Sie versagt haben, als dieser Mann bei Ihnen aufgetaucht ist.‹
»Ich habe nicht versagt, noch lange nicht!«, rechtfertigte sich Sebastiano brummend. Gift? Gebundene Hände? Was waren das nur für Worte, die der Kardinal benutzt hatte? Sebastiano fragte sich, ob das alles Symbolik oder tatsächlich Zufall war, und ob Gott ihm damit nicht doch etwas sagen wollte. Und wenn ja, was? Die Symbolik war bestimmt kein Zufall, doch wenn nicht, was hatte das alles dann zu bedeuten? Ganz und gar nicht Gottes Wille war es vermutlich, dass der Priester dazwischengekommen war, dachte Sebastiano.
Doch plötzlich begriff er, dass er sich irrte, dass es sich ganz anders verhielt: Der Priester war der Antichrist, wenn auch vielleicht nicht in Person, so war er doch sein williges Werkzeug. Denn es war ohne Zweifel die Schuld des Priesters, dass die beiden Ketzer noch immer am Leben waren.
Das werde sich jetzt ändern, ob es dem Kardinal in seinen politischen Kram passte oder nicht. Sobald er die Gelegenheit dazu hätte, werde er das Versäumnis nachholen. Auch den lädierten Ketzer im Krankenhaus werde er sich später noch vorknöpfen. Dann stellte er sich die verärgerte Stimme des Kardinals vor und schüttelte abfällig den Kopf.
»Es tut mir Leid, Eminenz. Doch vielleicht war es ja ein Fehler, dass Sie überhaupt zu uns gekommen sind«, murrte er vergnügt vor sich hin. Doch nein, Sebastiano war sich sicher: Auch der Kardinal war kein Zufall. Sie waren ja beide Gottes Werkzeuge, und was immer auch geschehen mochte, es war Gottes Wille.
Nach stundenlanger Fahrt hielt Sebastiano erschöpft am Straßenrand an. Immer wieder waren ihm die Augen zugefallen und die Müdigkeit drohte, ihn zu überwältigen. Er wollte sich eine kurze Rast gönnen, denn früher oder später werde er die Satansbrut sowieso einholen.
* * *
Burgos, die Stadt am Rio Arlanzon, war zu Alinas freudiger Begeisterung
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