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Wächter des Mythos (German Edition)

Wächter des Mythos (German Edition)

Titel: Wächter des Mythos (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Saurer
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die Mitglieder der Gruppe ihre frisch ergatterten Souvenirs bewunderten. Über die Sitzreihen hinweg wurden die Vor- und Nachteile verschiedener Sorten spezieller Pflaster für wunde Füße erörtert oder sonstige Probleme verhandelt, die der Pilgeralltag mit sich brachte.
    Alina und Sandino hatten ganz ruhig in der hintersten Sitzreihe Platz genommen. Nach den ersten neugierigen Fragen hatte das Interesse an den beiden Neulingen schlagartig abgenommen, denn die Gruppe hatte sich längst formiert und war sehr mit sich selbst beschäftig.
    Der Bus fuhr nun auf einer schmalen und kurvigen Landstraße von der Höhe ins Tal hinab, vorbei an Wäldern, Wiesen und Feldern in sattem Grün. Schon bald fuhren sie gemächlich an einem gestauten Fluss entlang, dem lang gezogenen Belesar-See. Dann rollte der Bus über die hohe Brücke auf Portomarin zu.
    Der Ort, einschließlich seiner romanischen Kirche, war vor rund fünfzig Jahren aus dem mittlerweile überfluteten Tal auf den Hügel oberhalb des jetzigen Sees verlegt worden. Noch immer ragen bei niedrigem Wasserspiegel die Ruinen der einstigen Stadt wie ein düsteres Andenken an das vergangene Mittelalter aus der Tiefe des Sees auf. Das Hotel für die Nacht lag am Ende des Ortes. Vom Fenster ihres Zimmers mit freiem Ausblick zum See sah Alina bis weit ins Land hinein. Etwas befangen wartete sie darauf, dass das Badezimmer frei wurde. Denn das Zimmer für die heutige Nacht würde sie sich mit dem Priester Sandino teilen.
    Später gesellten sie sich zu dem Pilgervolk unter den Arkaden um den Rathausplatz und ergatterten einen freien Tisch in einem Straßencafé. Sie hatten nicht am gemeinsamen Dinner der Reisegruppe teilgenommen und bestellten sich ein einfaches Pilgermahl und eine Flasche spanischen Rotwein. Ihnen wurde gerade der Wein serviert, als sie freudestrahlend von Inspektor Rey wie alte Pilgergefährten begrüßt wurden. Stolz berichtete er von seiner heutigen Tagestour durch einen sagenhaften wildromantischen Wald, voll von sehr alten knorrigen Zypressen. Für diese Nacht hatte er in der großen Pilgerherberge mitten im Ort Unterkunft gefunden, dort, wo sich eben all die echten Pilger trafen. Auch Sandino fühlte sich in seiner neuen Rolle als ungepflegter Pilger sehr wohl. Alina hatte etwas Mühe mit ihrem Verband und vergaß gelegentlich zu hinken. Es wurde ein heiterer Abend, während sie die Eindrücke des vergangenen Tages bis spät in die Nacht Revue passieren ließen.
     
    * * *
    Endlich, ganz am Ende des Ganges, erspähte Gabriel das Gate. Es war früher Morgen, doch ihm stand schon der Schweiß auf der Stirn. Das lag nicht nur an seiner noch etwas angeschlagenen Kondition, sondern vor allem an dem Turban, den er trug. Gabriel hatte seine fixe Idee in die Tat umgesetzt und sich ein neues Outfit zugelegt. Er war ganz in schwarz gekleidet, in extravaganter Designermode für Männer. Mit Stil und Klasse trug er dazu ein sehr großes goldenes Kreuz auf seiner Brust und seinen Kopf zierte ein weinroter modischer Turban. Seine Erscheinung war jetzt zwar nicht weniger auffällig als zuvor, doch verlieh ihm sein Kostüm mit dem unübersehbaren christlichen Akzent ein weltoffenes Aussehen.
    Etwas gehetzt stürmte er dem Gate entgegen, während er in seiner Schulter den pochenden Schmerz der Schussverletzung spürte. Der Arzt hatte ihn gewarnt, in den nächsten Tagen alles gemächlicher anzugehen. Um die Schulter zu schonen, trug er seinen Arm in einer Schlinge. Gestresst starrte er die Stewardess an, die ihn frisch wie der Morgen als ihren letzten Fluggast begrüßte.
    Gabriel hatte gerade mit Alina telefonierte und erfahren, dass sie mit einer Pilgergruppe unterwegs waren, mit der sie um zwölf Uhr vor der Kathedrale in Santiago de Compostela eintreffen sollten. Außerdem hatte sie ihm derartige Neuigkeiten offenbart, dass ihm die Haare zu Berge gestanden hätten, wäre sein Schädel unter dem prächtigen Turban nicht glattrasiert gewesen. Das Telefongespräch hatte ihn so sehr mitgenommen, dass er beinahe seinen Flug verpasst hatte. Ein Aufruf hatte ihn dann zum Gate hasten lassen.
    »Herr Diaz? Etwas spät! Doch schön, dass Sie es doch noch geschafft haben«, sagte die Stewardess und händigte ihm mit einem unverkennbar aufgesetzten Lächeln seine Bordkarte aus.
    Die Flugmaschine zum Jakobsgrab war gut besetzt. Gabriel stolperte zu seinem freien Sitzplatz. Eigentlich hätte er es jetzt lockerer nehmen können, denn er hatte nun alle Zeit der Welt. Die Maschine

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