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Wächter des Mythos (German Edition)

Wächter des Mythos (German Edition)

Titel: Wächter des Mythos (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Saurer
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werde um 8.30 Uhr in Santiago de Compostela landen.
     
    * * *
    Von Portomarin brauchten wandernde Pilger nach Santiago de Compostela je nach Kondition vier oder fünf Tagesetappen. Für Alina und Sandino waren es mit dem Bus nur noch wenige Stunden. Ihr Reiseleiter kündigte beim Frühstück der Gruppe die letzte Wanderung an, wozu er als Finale einen Abstecher an den Belesar-See ausgewählt hatte. Von dort ging es dann per Bus direkt nach Santiago. Alina und Sandino mussten sich nicht an der Wanderung beteiligen und konnten so noch ein wenig Zeit in Portomarin verbringen.
    Der Tag wurde schön und kündete eine milde sommerliche Wärme an, ein ideales Wetter für einen Pilger auf Wanderschaft. Alina und Sandino schlenderten gemütlich durch das kleine Städtchen, an den geöffneten Läden und Straßencafés vorbei, als sie plötzlich jubelnd begrüßt wurden: Maria stand in Pilgertracht vor ihnen und umarmte und herzte sie wie verlorene und nun endlich wiedergefundene Pilgergefährten.
    »Ich bin mit meinem Auto hier«, sagte sie zwinkernd. »Ich habe noch ein ›Stelldichein‹ mit Rey. Er will heute unbedingt ein paar Kilometer wandern und außerdem noch vor euch in Santiago eintreffen. Er hat mich gebeten, ihm bei diesem Wunder zu helfen, denn Santiago ist doch noch knapp hundert Kilometer von hier entfernt. Und, wie geht es deinem Fuß , Alina?«
    »Schon etwas besser«, antwortete sie grinsend. »Manchmal vergesse ich, dass mein Fuß mir wehtun sollte.«
    »Na ja, was nicht ist, kann ja noch werden«, sagte Maria verschmitzt. »Schon irgendwas Verdächtiges bemerkt oder nervös wegen der Sache in Santiago?«
    »Ach, ich lasse einfach alles auf mich zukommen. Ich habe ja einen Priester und Templer als Schutzengel an meiner Seite.«
    »Und ich bin auch noch da«, sagte Maria lachend. »Vergiss nicht, wir sind Schwestern und Bundesgenossen, wir Kelten halten zusammen.«
    »Ja«, stimmte nun auch Sandino in das Lachen ein, »wir Templer und Kelten halten zusammen.«
    »Druiden-Priester und Ritter bildeten einst die bestimmende Schicht im Keltentum, wie auch jene bei den Templern«, sagte Maria mit feierlichem Ernst. »Vergiss die Wurzeln deines Landes nicht, Alina. Denn mittlerweile scheint es ja Tatsache zu sein, dass die Heimat der Kelten nicht in fernen Ländern, sondern mitten im Herzen Europas lag. Der Reichsgedanke der Kelten gründete einst auf den Eid- und Bundesgenossen. Auch der 1. August, der Nationalfeiertag deines Landes, war ein wichtiger keltischer Feiertag und dem Wassergott Lugh gewidmet. Vergiss nicht, wir sind Schwestern und Bundesgenossen, Alina, und wir werden uns im Kampf für eine gemeinsame Sache beistehen.«
    Für Maria schien so etwas wie ein heiliger Krieg begonnen zu haben. Mit feuchten Augen und stolz erhobenem Haupt schritt sie feierlich an ihnen vorüber. Alina stand einen Augenblick fassungslos da. Sie fühlte sich so, als hätten sich um sie herum plötzlich geheimnisvolle Kräfte versammelt, um am heutigen Tag eine unsichtbare Schlacht zu schlagen. Dann spürte sie Sandinos Hand auf ihrem Arm.
    »Heute ist der entscheidende Tag, Alina. Doch fürchte dich nicht, denn wir alle sind mit dir.«
     
    * * *
    Der rundliche Kleriker, Kardinal Arnoldo, eilte schnaufend und beherzt der Begrüßung seines Gastes entgegen.
    »Ah, Eure Exzellenz Josef Kardinal Walter.« Arnoldo strahlte mit gutmütiger Miene den Deutschen an.
    »Verzeihen Sie meine Verspätung, doch ich musste einen Wagen zum Flughafen nehmen, der Helikopter hatte technische Probleme. Der Verkehr in Rom …«
    »Der ist wohl noch immer derselbe!« Arnoldo lachte, dabei geriet vor allem sein runder Bauch in Bewegung. Denn das Essen gehörte nun einmal zu den wenigen Leidenschaften seines sonst so enthaltsamen Lebens.
    »Roms Verkehr ist gottlos und heidnisch«, erwiderte Kardinal Walter etwas zu schroff.
    »Sehen wir es doch von der positiven Seite: Sie sind heil in Santiago de Compostela angekommen. Seien Sie willkommen.«
    Arnoldo führte den Kardinalpräfekt der Kongregation für Glaubenslehre durch die große Flügeltür in sein weiträumiges Arbeitszimmer und setzte sich ihm gegenüber. »Und, wie war Ihr Flug?«
    »Problemlos«, sagte Kardinal Walter nüchtern, er war offenbar nicht zu Plaudereien aufgelegt und schwieg. Noch immer wusste Arnoldo nicht, was dieser unerwartete Besuch des gefürchteten Hüters des Glaubens zu bedeuten hatte. Kardinal Walter war nach dem Papst einer der einflussreichsten Männer im Vatikan.

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