Wächter des Mythos (German Edition)
Dass er selber jemals genauso mächtig werden würde, diesen Traum hatte Arnoldo längst aufgegeben.
»Nun, es geht um die Heilige Mutter Kirche, um den Vatikan«, begann Kardinal Walter mit ernster Miene.
»Der Vatikan ist tatsächlich größer als man denkt, vor allem, wenn man ihn als die Heilige Mutter Kirche betrachtet.«
Die kalten Blicke des Kardinalspräfekten bohrten sich in sein Fleisch und mahnten ihn an die Zweideutigkeit seiner Worte. »Sie scheinen wohl gerade etwas orientierungslos zu sein!«
»Sicher«, rief sich Arnoldo zur Ordnung, »ich wollte sagen, dass der Vatikan mit seinen schier endlosen Fluren und verborgenen Kammern voller Überraschungen steckt. Doch nun sind Sie ja bei uns in Santiago de Compostela. Haben Sie das Grab des heiligen Jakobus schon besucht?«
»Nein«, sagte Kardinal Walter.
»Ach, nein?«, Arnoldo sah ihn verwundert an, »dann werden wir das sobald wie möglich nachholen.«
»Wenn es Gottes Wille ist, gern. Doch im Moment habe ich andere Sorgen.«
»Die haben wir ja alle«, sagte Arnoldo lächelnd.
»Sie wissen, dass ich mit einer der undankbarsten und schwierigsten Aufgaben der Kirche betraut bin, vor allem schwierig in diesen heutigen Zeiten des geistigen Liberalismus.«
»Die alte Zeit der Inquisition war sicher auch nicht viel dankbarer.«
»Für uns auf jeden Fall einfacher. Ich mache mir ernsthafte Sorgen um den Schutz des Glaubens.«
»Ich verstehe Sie sehr gut, Ihre Arbeit birgt eine enorme Verantwortung. Den Glauben gegen falsche Lehren und all jene zu verteidigen, welche die Lehre der Kirche für ihre eigenen Zwecke zu missbrauchen trachten, ist zweifelsohne eine übermenschliche Aufgabe.«
»Den Mächten des Bösen entschieden entgegenzutreten ist auch buchstäblich meine Aufgabe. Darum bin ich heute hier, um die Kirche vor falschen Propheten zu schützen, vor Menschen, die unseren Untergang herbeisehnen. Wir leben in einem dunklen Zeitalter und geraten immer mehr in unbekannte und trügerische Gewässer. Der Ehrgeiz der Aufklärung, der Ehrgeiz der Wissenschaft, das sind heutzutage die dunklen Mächte. Die Wege des Bösen sind klar erkennbar, und trotzdem darf der Kampf nicht offen geführt werden. In anderen Zeiten war das leichter, verstehen Sie, was ich meine? Daher nimmt das Böse ja auch beständig zu.«
»Ich bin im Großen und Ganzen ihrer Meinung, nur dürfen wir nicht vergessen, dass in früheren Zeiten im Namen der Kirche versklavt, gefoltert und gemordet wurde. Um wie vieles besser war denn das damalige Leben?«, warf Arnoldo beschwichtigend ein, um die sorgenvollen Gedanken des Kardinals zu zerstreuen.
»Aber schauen Sie sich doch um! Wir leben in einer dunklen, bösen, oberflächlichen und verlogenen Welt, dank Aufklärung und Wissenschaft. Wegen der von dunklen Mächten pervertierten Inquisition, mit der die Kirche ja nur das Böse im Mittelalter bekämpfte, sind uns all die zahllosen Gläubigen abhandengekommen. Immer wieder lockt das Böse die Menschen in die Falle, und zwar dann, wenn wir es alle am wenigsten erwarten.« Er zögerte bedächtig. »Nun, ich komme vom Thema ab. Meine Sorge ist es, dass ich meinen Pflichten, die mir dieses ehrenvolle Amt auferlegt hat, nicht angemessen nachgekommen bin.«
Arnoldo wusste immer noch nicht, worauf der Kardinal hinauswollte, doch empfand er angesichts der besorgten Miene seines Berufskollegen ehrliches Mitleid. »Vielleicht machen Sie sich auch zu viele Sorgen. Wer sonst, wenn nicht Gott, hat Sie für dieses Amt ausgewählt, Sie füllen Ihren Posten besser aus als ein anderer. Ich an Ihrer Stelle könnte das jedenfalls nicht.«
»Nun gut. Also weshalb ich hier bin, Sie wissen, dass es in Ihrer Kirche Dinge gibt, die recht seltsam sind.«
»Sie meinen doch nicht etwa …«
»Doch, ich meine genau diese alte Geschichte. Jahrhundertelang wurde an der Kathedrale herumgebastelt, dennoch ist von der alten Geschichte immer noch genug da, um der gesamten Kirche die Henkersmahlzeit zu servieren.«
Arnoldos Miene verdüsterte sich abrupt. Er konnte vor Schreck nicht antworten.
»Was ist mit den Tiraboleiros?«, fragte Kardinal Walter schroff.
»Die stehen Ihnen selbstverständlich zur Verfügung. Doch ich verstehe das alles nicht, worin besteht denn die Gefahr?«
»Das, mein lieber Mitbruder, braucht Sie nicht zu kümmern. Deshalb bin ich ja persönlich aus Rom angereist.«
»Na, schön, doch wie kann ich dabei behilflich sein?«
»Ich bin auf die örtlichen Kräfte angewiesen. Doch kann
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