Wächter des Mythos (German Edition)
ich nur loyale Kräfte gebrauchen, die mich im Kampf gegen das Böse bedingungslos unterstützten, Gläubige, die auf dem redlichen Weg des Kreuzes sind.«
»Sie wollen die Unterstützung der Nazarenos?«
»Ich muss loyale Kräfte mobilisieren, die der Heiligen Mutter Kirche zur Verfügung stehen. Ich würde mich sehr auf eine kleine Bet- und Bußfeier in ihrem Versammlungsraum unter der Kathedrale freuen.«
»Und wie kann ich dabei behilflich sein?«
»Sie, mein verehrter Mitbruder, halten sich besser aus der ganzen Sache heraus. Ich werde mit unseren Tiraboleiros und diesen Nazarenos schon alleine zurechtkommen.«
* * *
Gabriel genoss es, noch ein bisschen durch die Stadt zu schlendern, bevor die Reisegruppe und mit ihr Alina und Sandino eintreffen würden. Abseits der zahlreichen Kirchen und Klöster war er an einem unbedeutenden und engen Platz stehengeblieben, einen Steinwurf entfernt von der Kathedrale mit Spaniens heiligster Reliquie. Er setzte sich an einen freien Tisch in einem Straßencafé und bestellte sich einen Kaffee. Eine laue Brise wehte ihm den Gitarrensong eines Pilgers herüber, der unter einer Arkade ein paar Häuser weiter hockte. Die von alten Stadthäusern mit kleinen Läden und Restaurants gesäumte Straße war wie überall in der Altstadt von Pilgern und anderen Touristen bevölkert. An der Tasse nippend, versuchte Gabriel jetzt, sich auf seine Gedanken zu konzentrieren und das bunte Treiben um sich herum zu vergessen.
Wenn das alles stimmte, was er inzwischen von Alina gehört hatte, war es ihr seit seinem Krankenhausaufenthalt wirklich übler ergangen, als er es sich hätte träumen lassen. Sollte er sich Vorwürfe machen, dass er Alina nicht davon hatte überzeugen können, die Suche nach dem Schlüssel vorübergehend auszusetzen, um sich von den Strapazen zu erholen und auf ihn zu warten? Er selbst konnte froh sein, dass er so glimpflich davongekommen war. Es hätte für ihn viel schlimmer kommen können, wenn die Kugel nicht nur seine Schulter getroffen hätte.
Er hatte Glück gehabt. Für den Killer war das allerdings eher eine Misere. Auch in Burgos schien er nicht sonderlich erfolgreich gewesen zu sein. Nun hoffte Gabriel, das Glück stehe auch weiterhin auf ihrer Seite. Alina war bei der Reisegruppe gut aufgehoben und werde zur Zwölf-Uhr-Messe in Santiago de Compostela eintreffen.
* * *
Die Stimmung im Bus war anders als sonst, irgendwie aufgekratzter. Es mochte vielleicht an der greifbaren Nähe des Ziels liegen. Zwei Sitzreihen vor Alina und Sandino wurde heftig über Religion diskutiert. Unerwartet wandte sich einer der beiden Diskussionspartner an Sandino.
»Und Sie? Gehören Sie auch zu diesen bekehrten Fans, die nach dem Gottes-Trip ihr Schicksal bereitwilliger annehmen?«
»Wir haben einen freien Willen, mit dem wir die Welt bewusst gestalten können, und brauchen uns nicht durch eine eingeschränkte Vorstellungskraft von Begriffen wie Schicksal zu begrenzen«, gab ihm Sandino nüchtern zur Antwort.
»Sie bleiben wohl immer auf dem Teppich, so wie ein Mohammedaner beim Gebet?«
»Nein, das nicht. Doch ich hoffe auch nicht darauf, dass Lahme nach einem Gottes-Trip gehen können oder sich für den Rest ihres Lebens damit abfinden müssen. Sie können aus dem, was wir Schicksal oder auch Los nennen, das Beste machen.«
Alina nickte Sandino anerkennend zu. »Sie bringen mich immer wieder zum Staunen. Ich habe langsam den Eindruck, sie glauben wirklich an das, was Sie da sagen.«
»Aber sicher, denn ich glaube an die Vernunft und den Verstand, wir sind mit ihnen geboren, damit wir sie benutzen.«
»Dann wird es für Sie kein Wunder geben, das Sie in der Kathedrale bestaunen können. Sie kennen die Botschaft bereits.«
»Ja, vermutlich schon. Aber es gibt andere, wunderbare Geschehnisse, und über sie werde ich nicht müde zu staunen. Ich genieße ihre Gegenwart sehr, Alina. Und ich bin froh, Sie begleiten zu dürfen.«
»Nicht, dass ich Sie von Ihren Prinzipien abbringe …?«, zwinkerte Alina Sandino zu.
»Nein, ich weiß jetzt wirklich, was es heißt, für das weibliche Prinzip zu kämpfen. Und das bestärkt mich auch in meinen anderen Prinzipien. Da brauchen Sie sich überhaupt keine Sorgen zu machen«, erwiderte Sandino schmunzelnd.
Einige Kilometer vor dem Ziel klang die Stimme des Reiseleiters aus den Lautsprechern und unterbrach die hitzigen Diskussionen der Reisenden. »Sicher habt ihr den Flughafen gesehen, unser Ziel für übermorgen. Jetzt
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