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Wächter

Wächter

Titel: Wächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Baxter Clarke
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gesorgt.«
    Cassie lächelte - ein kaltes Lächeln, fast wie das einer Politikerin. »Ich hatte nicht vor, einen ›Wirbel‹ zu veranstalten oder irgendjemandem irgendwelche Schwierigkeiten zu bereiten. Ich bin nur die Witwe eines Marineingenieurs, die sich die Frage stellt, wie und warum ihr Mann gestorben ist.«
    »Und Sie haben auch plausible Antworten erhalten, nicht wahr? Einen Kaffee?«
    Bella ging zur Kaffeemaschine. Sie nutzte diese Pause, um ihre Gegnerin abzuschätzen - denn für eine solche musste sie Cassie Duflot halten.
    Cassie war eine junge Frau und eine junge Mutter und eine Witwe; damit gewann sie in den Augen der Öffentlichkeit sofort etliche Sympathiepunkte. Doch Cassie arbeitete auch in der PR-Abteilung von Thule Inc., einer der weltgrößten Umweltschutz-Agenturen, die sich nach dem Sonnensturm auf die Renaturierung der kanadischen Arktis spezialisiert hatte. Und nicht nur das: Ihre Schwiegermutter Phillippa hatte sich vor dem Sonnensturm in den höchsten Londoner Kreisen bewegt und seitdem zweifellos ein Kontaktnetzwerk gepflegt. Cassie wusste, wie man die Medien benutzte.
    Cassie Duflot vermittelte einen Eindruck der Stärke. Nicht etwa neurotisch oder ressentimentgeladen, auch nicht verbittert. Ihr ging es nicht um Rache für den Tod ihres Mannes
oder für die Zerstörung ihres Lebens, wie Bella sofort sah. Sie hatte ein tieferes Motiv - als ob sie eine Mission zu erfüllen hätte. Die Suche nach der Wahrheit vielleicht. Und das machte sie noch gefährlicher.
    Bella gab Cassie ihren Kaffee und setzte sich. »Fragen ohne Antworten«, eröffnete sie.
    »Ja. Sehen Sie, Frau Vorsitzende Fingal …«
    »Nennen Sie mich Bella.«
    Cassie sagte, dass sie wenig über die Tätigkeiten ihres Manns in seinen letzten Jahren gewusst hätte. Er war Weltraumingenieur gewesen; Cassie wusste zumindest darüber Bescheid, dass er an einem Geheimprogramm gearbeitet hatte und kannte auch den ungefähren Ort, wo er stationiert war.
    »Und das ist auch schon alles«, sagte sie. »Als James noch lebte, wollte ich auch gar nicht mehr wissen. Ich hatte das Sicherheitsbedürfnis akzeptiert. Schließlich sind wir im Krieg, und in Kriegszeiten hält man den Mund. Aber als er gestorben war und nach dem Begräbnis und den Feierlichkeiten … Sie waren so nett, uns zu besuchen …«
    Bella nickte. »Sie haben angefangen, Fragen zu stellen.«
    »Ich wollte eigentlich nur ein paar Antworten«, sagte Cassie. Sie drehte den Ehering an ihrem Finger und wirkte nun befangen. »Ich wollte niemanden in Gefahr bringen - am allerwenigsten James’ Freunde. Ich wollte nur in groben Zügen wissen, wie er gestorben ist, damit die Kinder, wenn sie eines Tages nach ihm fragen - Sie wissen schon.«
    »Ich bin selbst Mutter. Sogar schon Großmutter. Ja, ich weiß.«
    Es schien, dass die Marine Anfragen sabotiert hatte, die ursprünglich genehmigt und eher harmlos gewesen waren. »Sie haben mich abgewimmelt. Einer nach dem anderen hörten die Verbindungsoffiziere der Marine und die Berater auf, meine Anrufe zu beantworten. Sogar James’ Freunde haben sich distanziert.« Diese unverhohlene Nichtachtung hatte Cassie - was ja zu erwarten war - erzürnt. Sie hatte ihre Mutter befragt und eigene Nachforschungen angestellt.

    Und sie hatte Abfragen für Thales formuliert.
    »Ich glaube, der Umstand, dass Thales existiert und jedem auf dem Planeten, der ihm eine Frage stellt, etwas ins Ohr flüstert, vermittelt den Leuten die Illusion einer freien und offenen Gesellschaft. In Wirklichkeit ist Thales ein ebensolches Instrument der Regierungskontrolle wie jedes andere Medium. Ist doch so, oder?«
    »Fahren Sie fort«, sagte Bella.
    »Aber ich habe Mittel und Wege gefunden, aus den Antworten und Nicht-Antworten einer KI Informationen zu gewinnen.« Sie war zu einer autodidaktischen Expertin für die Analyse einer KI geworden, die durch den Auftrag zur Lüge traumatisiert worden war. Sie holte eine Softscreen aus der Tasche und breitete sie auf dem Schreibtisch aus. Sie zeigte die schematische Darstellung eines durch goldene Stränge definierten Netzwerks, in dem einzelne Abschnitte durch dicke rote Linien eingegrenzt waren. »Man kann nicht einfach einen Speicher aus einer KI herauslösen, ohne ein Loch zu hinterlassen. Alles ist miteinander verbunden …«
    Bella unterbrach sie. »Das genügt. Sehen Sie, Cassie. Andere haben die gleichen Fragen schon vorher gestellt. Es ist nur so, dass Sie als die Person, die Sie nun einmal sind, eine größere

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