Wächter
handelt - gemäß der Konvergenzprozesse«, sagte er überzeugt.
Oker präsentierte weitere Ergebnisse. Auf der kahlen Oberfläche des Mondes sammelte sich eine flüchtige Atmosphäre in den tieferen Kratern und Gräben, und man sah sogar den Schimmer von offenem Wasser. Und wieder glaubten die Chicagoer Astronomen Leben zu sehen.
Und es gab ein paar außergewöhnliche Bilder von Merkur. Es handelte sich um verschwommene Darstellungen von
Strukturen aus Licht, die sich - an der Grenze der Sichtbarkeit - wie ein Netz über die dunkle Seite des Planeten zogen. Oker sagte, es habe einmal eine partielle Sonnenfinsternis gegeben, und einige seiner Studenten hätten ähnliche Sichtungen von »Plasma-Netzen« oder »Plasmoiden« in der dünnen Sonnenluft gemeldet. Vielleicht war es auch eine exotische Lebensform - Wesen aus superheißem Gas, die von der feurig lodernden Sonne zum Antlitz ihres nächsten Kindes waberten.
Bisesa lehnte sich mit einem vorgetäuschten Hustenanfall zurück und konsultierte ihr Telefon. »Hältst du das für wahrscheinlich?«, flüsterte sie.
»Plasma-Leben ist nicht grundsätzlich unmöglich«, murmelte das Telefon. »Es gibt Strukturen in der Sonnenatmosphäre, die durch den magnetischen Fluss zusammengehalten werden.«
»Ja«, erwiderte Bisesa grimmig. »Wir alle haben uns in den Jahren des Sturms zu Sonnenspezialisten gemausert. Was glaubst du, geht hier vor?«
»Mir ist eine Stichprobenerhebung des Lebens auf der Erde, die während der Periode genommen wurde, als Intelligenz - die Menschheit - entstand. Die Planetologen glauben, dass die Venus in ihrer Frühzeit warm und sehr feucht war. Also ist die Venus vielleicht ähnlich ›gesampelt‹ worden. Das hier scheint eine Art optimierter Version des Sonnensystems zu sein, Bisesa; von jeder Welt und vielleicht von Ausschnitten dieser Welten, die anhand der Maximalität des Lebens ausgewählt wurden. Ich frage mich nur, was in diesem Universum auf Europa oder Titan vor sich geht, die sich außerhalb der Reichweite Chicagoer Fernrohre befinden …«
Nun enthüllte Professor Oker mit dem Instinkt eines Impresarios den Höhepunkt seiner Präsentation: Mars.
Aber das war nicht der Mars, mit dem Bisesa aufgewachsen war und den sie sogar besucht hatte. Dieser blaugraue Mars hatte sogar eine noch größere Ähnlichkeit mit der Erde als die
wässrige Venus, denn hier gab es eine große Landmasse; es war eine Welt aus Kontinenten und Ozeanen, die von Eis an den Polen gekrönt und in schleierartige Wolken gehüllt war. Sie entdeckte auch vertraute Züge. Dieser grüne Streifen war vielleicht Valles Marineris; die blaue Narbe in der südlichen Hemisphäre war womöglich das gewaltige Becken von Hellas. Der größte Teil der nördlichen Hemisphäre schien trocken zu sein.
»Da stimmt etwas nicht, Bisesa«, wisperte das Handy. »Wenn der Mars, unser Mars, überflutet worden wäre, müsste die gesamte nördliche Hemisphäre von einem Meer bedeckt sein.«
»Vastitas Borealis.«
»Ja. Auf diesem Mars muss in der Zukunft eine dramatische Entwicklung stattfinden, die das Antlitz des Planeten vollständig verändern wird.«
Rice hörte Oker ungeduldig zu und schnitt ihm schließlich das Wort ab. »Kommen Sie schon, Gifford. Bringen Sie die gute Nachricht. Sagen Sie ihr, was Sie mir über die Marsmenschen erzählt haben.«
Oker grinste. »Wir sehen, dass die Marsebenen von schnurgeraden Linien durchzogen sind. Linien, die Hunderte von Meilen lang sein müssen.«
»Kanäle«, sagte Abdi spontan.
»Was sollte es sonst sein? Und auf dem Land glauben ein paar von uns Strukturen erkannt zu haben. Vielleicht Mauern - endlos lange Mauern. Das ist jedoch umstritten, denn wir befinden uns hier an der Grenze der Auflösung. Aber diesbezüglich «, sagte Oker, »bestehen nicht die geringsten Meinungsverschiedenheiten.« Er präsentierte eine Photographie, die in polarisiertem Licht aufgenommen wurde und die helle Lichter wie Sterne zeigte, die über das Antlitz des Mars verstreut waren. »Städte«, stieß Professor Oker atemlos hervor.
Emeline beugte sich vor und tippte auf das Bild. » Ich habe ihr das schon gesagt«, sagte sie.
Rice lehnte sich zurück. »Da haben Sie es, Miss Dutt«, sagte er. »Die Frage lautet nur, was Sie damit anfangen können?«
»Ich weiß nicht«, sagte sie ehrlich. »Ich muss zuerst mit meinen Kontaktpersonen zu Hause sprechen.«
»Und«, sagte Abdi zu Oker, »ich würde gerne mit Euch zusammenarbeiten, Professor. Wir können
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