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Wächter

Wächter

Titel: Wächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Baxter Clarke
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noch nichts davon entschlüsselt. Was auch immer sich dahinter verbirgt, es ist komplex; keine lineare Symbolgruppe wie aufeinander folgende Buchstaben, sondern eine dreidimensionale und vielleicht noch höherdimensionale Matrix. Falls die Bildzeichen echt sind, schöpfen sie ihre Bedeutung sicher aus der Position und aus der Form.«
    »Es muss einen Ausgangspunkt geben«, sagte Myra. »Einen Aufhänger.«
    Ellie nickte. »Ich versuche, ein paar der am häufigsten vorkommenden Symbolketten zu extrahieren.«
    Myra musterte sie. Ellies Augen wurden hinter der Gesichtsplatte durch die Brille verborgen; ihr Ausdruck war kalt. Myra wurde sich bewusst, dass sie fast nichts über diese Frau wusste, die vielleicht gerade dabei war, die Entdeckung dieses Zeitalters zu machen; sie hatten in den langen Monaten, die Myra schon hier war, kaum miteinander gesprochen.

    Myra holte Kaffee für sie beide. Er war in Beuteln abgefüllt, die man mit einem Anschluss an der Seite des Helms verbinden musste. »Woher kommen Sie überhaupt, Ellie? Aus den Niederlanden?«
    »Eigentlich Holland. Delft. Ich bin eurasische Staatsbürgerin. Genau wie Sie, oder?«
    »Verzeihung, aber ich frage mich immer wieder, wie alt Sie wohl sind.«
    »Ich war zwei Jahre alt, als der Sonnensturm einsetzte«, sagte Ellie schroff. Dann war sie nun neunundzwanzig. »Ich erinnere mich nicht an den Sturm. Ich erinnere mich nur an die Flüchtlingslager, wo meine Eltern und ich die nächsten drei Jahre verbrachten. Meine Eltern haben mich davon abgehalten, meiner wahren Begabung zu folgen - eine akademische Laufbahn. Nach dem Sturm wäre eine große Wiederaufbauleistung erforderlich, sagten sie. Ich sollte daran arbeiten, als Architektin oder Ingenieurin, aber nicht als Physikerin. Sie sagten, das sei meine Pflicht.«
    »Aber Sie scheinen sich durchgesetzt zu haben.«
    »Dafür habe ich meine Eltern verloren. Ich glaube, sie wollten, dass ich leide, wie sie gelitten hatten, weil der Sonnensturm ihr Haus zerstört und überhaupt alle ihre Pläne zunichte gemacht hatte. Manchmal glaube ich, dass sie sich gewünscht haben, sie wären umgekommen und der Sturm hätte alles zerstört. Dann hätten sie nämlich keine undankbaren und verständnislosen Kinder aufziehen müssen.«
    Dieser Wortschwall überraschte Myra. »Wenn Sie sich schon öffnen, dann öffnen Sie sich ganz, nicht wahr, Ellie? Und ist das auch der Grund, weshalb Sie hier sind und an diesem Auge arbeiten? Weil der Sonnensturm Ihrer Familie so übel mitgespielt hat?«
    »Nein. Ich bin hier, weil die Physik so faszinierend ist.«
    »Natürlich sind Sie das. Ellie - Sie haben doch noch mit niemandem über die Käfig-Symbolik gesprochen, oder? Mit keinem anderen Besatzungsmitglied. Wieso ausgerechnet mit mir?«

    Ellie grinste - völlig unerwartet. »Ich musste es einfach jemandem erzählen. Nur um zu sehen, ob es sich völlig verrückt anhört. Obwohl Sie nicht qualifiziert sind, die Qualität meiner Arbeit oder die Ergebnisse zu beurteilen.«
    »Natürlich nicht«, sagte Myra trocken. »Ich freue mich aber, dass Sie es mir erzählt haben, Ellie.« Ein leiser akustischer Alarm ertönte im Helm, und der Anzug sagte ihr, dass es Zeit wurde, an die Oberfläche zurückzukehren, wo Hanse auf sie wartete. »Lassen Sie mich es wissen, wenn Sie noch mehr herausfinden.«
    »Das werde ich.« Und Ellie widmete sich wieder ihrer Arbeit, ihrem Käfig mit Instrumenten, und dem unsichtbaren gravitationalen Kampf außerirdischer Artefakte.

{35}
POSEIDONS DREIZACK
    Bisesa, Emeline White und der junge Abdikadir Omar sollten den Atlantischen Ozean an Bord der Posei don’s Barb überqueren, einem Schiff, das nach Poseidons Dreizack benannt war. Für Bisesas Augen war das Schiff eine surreale Synthese aus einer alexandrinischen Trireme und einem Schoner des 19. Jahrhunderts: eine Cutty Sark mit Rudern. Sie stand unter dem Kommando eines englisch sprechenden Griechen, der seine Passagiere mit dem größten Respekt behandelte, nachdem Abdikadir ihm einen Passierschein von Eumenes übergeben hatte.
    Sie mussten Wochen im rudimentären Hafen von Gibraltar auf ein Schiff warten. Atlantikreisen waren in dieser Welt noch nicht gang und gäbe. Es war eine Erleichterung, als sie endlich ausliefen.
     
    Die Barb pflügte zügig durchs graue Wasser eines sommerlichen Atlantiks. Die Besatzung verstand ihr Handwerk; sie verständigte sich in einem Gemisch aus amerikanischem Englisch des 19. Jahrhunderts und einem altertümlichen

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