Wächter
Wenn Menschen auf so engem Raum eingeschlossen waren, für ein volles Erdjahr in Dunkelheit ausharren mussten und nicht einmal einen Fuß vor die Tür zu setzen vermochten, waren Konflikte vorprogrammiert. Da konnte man nichts Besseres tun, als eine Umgebung zu konstruieren, die Entspannung ermöglichte.
Myra suchte sich eine Beschäftigung.
Es gab immer Arbeit im Garten in Büchse Vier - die Pflanzen, der Reis und der Spinat, die Kartoffeln und die Erbsen mussten gehegt und die Ausrüstung gewartet werden, die die Funktion der Hydrokulturbeete gewährleistete. Grendel Speth nahm die Unterstützung der Hobby-Gärtnerin Myra dankend an. Es wurde sogar Bambus gezogen. Frühere Besatzungen hatten Mittel und Wege gefunden, das schnell wachsende Zeugs zu essen, und sie hatten es auch als Werkstoff verwendet; ein Mobile aus Schnitzereien, das an eine Äolsharfe erinnerte, hing in einer Ecke der Büchse . Der Garten trug jedoch nur zu ein paar Prozent zur Nahrungsmittelversorgung der Basis bei, und bei streng rationaler Betrachtung hätte man diesen Raum und die Energie auch besser zur Lagerung von »Trockenfutter« von Lowell genutzt. Myra betrachtete das Hegen dieser vertrauten Lebewesen aber geradezu als Erfüllung - was natürlich auch Sinn und Zweck der Sache war.
Und wenn sie auch noch so beschäftigt war, es zog sie immer wieder zur Grube zurück.
Das war schließlich der Mittelpunkt aller Geheimnisse hier; an diesem Ort hatte sie ihre Mutter verloren. Das Problem war nur, dass sie die Unterstützung von Experten benötigte, um dort hinunterzusteigen, und jeder von der Besatzung der Station war mit seinen eigenen Projekten beschäftigt.
Erst nach Wochen vermochte sie Hanse Critchfield dazu zu bewegen, einen Raumanzug anzulegen und wieder mit ihr in die Grube tief im Eis einzufahren.
Ellie und Myra bewegten sich unbehaglich in der Grube . Sie glichen zwei riesigen grünen Larven, sagte Myra sich, die im grellen Licht der Deckenlampen in dieser grob geschmolzenen Kammer umherkrochen.
Ellie von Devender duldete ihre Anwesenheit, aber gerade so. Die agile, selbstbewusste Ellie - vom Gefühl der Bedeutung ihrer Arbeit durchdrungen - war nicht der Typ, der gern das Kindermädchen spielte. Immerhin war sie bereit, über ihre
Arbeit zu sprechen, wenn Myra intelligente Fragen zu stellen vermochte.
Ellie hatte eine Art Sensoren-Gruppe um das Auge arrangiert - ein paar in der Augen -Kammer selbst und andere in Nischen, die sie ins Marseis geschmolzen hatte. »Hochenergiepartikel-Detektoren. Strahlensensoren. Ein Tank als Neutrino-Detektor.« Das war eine ins Eis getriebene und mit flüssigem Kohlendioxid gefüllte Kammer.
Ellie rückte dem Auge auch aktiv zuleibe. Sie hatte eine Anordnung von Lasern und kleinen Partikelstrahlern aufgestellt, die wie die Gewehre eines Erschießungskommandos auf das Auge gerichtet waren. Sie vermochten die Streu-und Partikelstrahlung des Auges zu imitieren - und durch die Manipulation dieses Inputs zum Auge war es Ellie erstaunlicherweise gelungen, Signale an Bisesas Mobiltelefon zu senden, das sie in einer anderen Welt zurückgelassen hatte.
Die Arbeit mit den Neutrinos war indes nicht ganz so feinfühlig - der Teilchendetektor war ganz normale Standardausrüstung. Der Gravitationswellen-Detektor hatte es Ellie aber am meisten angetan. Sie hatte das Gerät eigens für die speziellen Bedingungen auf der Polkappe des Mars konzipiert. Sie hatte sich Hanses Maulwürfe geliehen, intelligente kleine Wühlapparate mit »heißen Nasen«, die für die Erforschung des Eises vorgesehen waren. Sie hatten auf ihre Veranlassung ein Netzwerk aus langen, geraden Tunnels angelegt, in denen hochfrequentes Laserlicht hin und her lief. Die Theorie besagte, dass jede Änderung im spezifischen Schwerefeld des Auges oder des Containments auf dem Mars eine Emission von Gravitationswellen verursachen würde. Die Wellen würden das Polareis zum Schwingen anregen, und diese minimalen Störungen würden sich wiederum als leichte Verschiebungen im Laserlicht manifestieren.
»Das ist ein komplizierter Versuchsaufbau«, erklärte Ellie nicht ohne einen gewissen Stolz. »Gravitationswellen sind grundsätzlich schwach. Der Mars ist geologisch ruhig, bis auf diese
merkwürdigen Beben. Und das Polareis selbst fließt langsam. Aber diese Faktoren vermag man alle auszufiltern. Ich habe sekundäre Detektoren auf der Oberfläche und in der Umlaufbahn stationiert. Der eindrucksvollste umfasst gleich zwei Stationen auf
Weitere Kostenlose Bücher