Wächterin der Dunkelheit: Roman (German Edition)
sich noch nie vor Augen geführt hatte, in Panik zu verfallen.
Der endgültige Tod.
Keine Artemis, die sie zurückholte. Kein Himmel. Sondern nur das endgültige Nichts und unsägliche Schmerzen. Sie könnte zur selben Existenz verdammt sein wie der Mann, den Alexion ihr zuvor gezeigt hatte. Ohne einen Funken Hoffnung. Ohne irgendetwas.
»Ist schon gut, Danger«, sagte er leise und drückte sie fest an sich. »Ich weiß nicht, ob Sie sich dadurch besser fühlen, aber er hatte angefangen, Menschen zu töten.«
In gewisser Weise half es und doch auch wieder nicht. »Ich will nicht so sterben müssen, Alexion.«
Und dann wurde ihr etwas bewusst …
Er war genau auf diese Weise gestorben. Allein, neben der Frau, die er geliebt und die sich geweigert hatte, ihm seine Seele zurückzugeben.
Wie hatte sie ihm so etwas antun können? Es war so eiskalt. So abscheulich.
Danger löste sich kaum merklich aus seiner Umarmung, um ihm ins Gesicht sehen zu können. »Ist das auch mit Ihrem Körper passiert?«
Er nickte. »Das ist der Grund, weshalb ich heute keinen mehr besitze.«
Doch er fühlte sich so real, so fest an. »Wie können Sie dann hier stehen und mich festhalten?«
In seinen Augen lag eine Zärtlichkeit, die ihr Blut in Wallung geraten ließ. Er mochte Acherons Vollstrecker und Zerstörer sein, doch er wusste, was Mitgefühl bedeutete, und sie war ihm dankbar, dass er es ihr nun, da sie es am meisten brauchte, entgegenbrachte.
»Acheron besitzt sehr große Kräfte, und die Reinkarnation gehört zum Glück dazu. Dieser temporäre Körper ist identisch mit Ihrem, nur dass meiner tatsächlich unzerstörbar ist. Schneiden Sie mir den Kopf ab, und ich werde ihn einfach wieder aufsetzen.«
Das klang völlig unlogisch. »Ich verstehe das nicht. Weshalb fürchten Sie sich dann vor einem Charonte?«
Er lachte nervös. »Die Charontes zerstören nicht nur den Körper, sondern unsere ousia .«
»Ihre was ?«
Er strich ihr das Haar aus dem Gesicht. »Es ist der Teil, der jenseits des Körpers und der Seele existiert. Erst durch die ousia erlangen wir unsere Persönlichkeit. Es ist unsere Essenz, unsere Lebenskraft, wenn Sie so wollen. Ohne sie sind wir nichts. Ohne sie droht uns der ultimative Tod, von dem es keine Wiederkehr gibt. Die Charontes gehören zu den wenigen, die dieser kleinen Existenz, die uns geblieben ist, mühelos ein Ende setzen können. Und auch wenn meine Existenz nicht gerade ein Zuckerschlecken ist, hänge ich doch zu sehr daran, um sie einfach aufzugeben.«
Sie verstand immer noch nicht. »Aber wenn Acheron so mächtig ist, dass er Ihnen einen temporären Körper geben kann, wieso reicht es dann nicht für einen endgültigen?«
Schweigend trat Alexion einen Schritt rückwärts.
Seine Züge hatten sich erneut versteinert, was ihr verriet, dass sie einen wunden Punkt getroffen hatte. »Los, Alexion, raus damit. Da ist doch noch etwas anderes, stimmt’s? Etwas, das Ihnen Angst macht.«
Sie sah es in seinen Augen.
Er wandte sich um und schlug den Weg zum Wagen ein. Sie folgte ihm, ohne große Hoffnung auf eine Antwort.
»Acheron war noch sehr jung, als er mich zurückgeholt hat«, sagte Alexion unvermittelt. »Damals war ihm das Ausmaß seiner Kräfte noch nicht ganz bewusst, und die Götter wissen, dass Artemis ihm nicht freiwillig weitergeholfen hat. Wäre es nach ihr gegangen, hätte er seine Kräfte überhaupt nie weiterentwickelt.«
Ein mulmiges Gefühl beschlich sie. »Sie wollen also im Grunde sagen, dass er Mist gebaut hat, was Sie angeht.«
Er nickte, ohne sie anzusehen. »Wäre ich hundert Jahre später gestorben, wäre das Ganze völlig anders ausgegangen. Aber was mit mir geschehen ist, kann nicht einmal Acheron rückgängig machen. Ich werde nie wieder ein Mensch sein oder wie ein Mann leben können. Für mich gibt es keine Rettung. Niemals.«
Er ertrug sein Schicksal mit bewundernswerter Würde, andererseits hatte er sehr viel Zeit gehabt, sich damit abzufinden. Sie hingegen wäre bis zum heutigen Tag stocksauer, wenn Acheron bei ihr Mist gebaut hätte. »Es tut mir sehr, sehr leid, Alexion.«
»Ist schon okay. Wenigstens hat er mich gerettet. Wenn er es nicht getan hätte…« Er sah zu der Stelle hinüber, wo Marcos Leiche eben noch gelegen hatte.
Verdammt. Es gefiel ihr nicht, dass er so hatte sterben müssen. Wahrscheinlich hatte er recht. Was er jetzt hatte, war immer noch besser als die Alternative.
Danger nickte in Richtung Wagen. »Wieso besorgen wir uns nicht
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