Wächterin der Träume
bekomme ich Kopfschmerzen. Wenn es gestattet ist, werde ich zum allgemeinen Verständnis noch einmal erklären, worum es hier geht. Padera, falls die Anschuldigungen gegen dich zutreffen, steht deine Position als Oberste Wächterin auf dem Spiel. Dawn, wenn du tatsächlich wiederholt Sterbliche in Gefahr gebracht und die Unantastbarkeit dieses Reiches verletzt hast, wirst du ausgelöscht und verlierst deine bemerkenswerten Fähigkeiten.«
Bevor ich etwas erwidern konnte, meldete sich Hadria zu Wort. »Das hielte ich für unklug.«
Alle blickten erstaunt auf die Priesterin, die fortfuhr: »Es ist nicht erwiesen, dass Dawn überhaupt ausgelöscht werden kann und ob sie dadurch ihre Fähigkeiten einbüßen würde. Der Versuch könnte katastrophale Folgen für diese Welt haben.«
»Das glaube ich nicht«, entgegnete Padera mürrisch.
»Erklär uns das«, forderte Gladios die Priesterin auf. »Hat es etwas mit der Prophezeiung zu tun?«
O nein, nicht das schon wieder!
Hadria nickte. »Ich halte Dawn für die Retterin dieses Reiches und kann mir nicht vorstellen, dass sie etwas tun würde, um ihm zu schaden. Ich habe gesehen, wozu sie in der Lage ist – es ist einfach erstaunlich. Und ich habe selbst erlebt, dass sie allen Versuchungen widerstanden hat. Nicht einmal die Eva-Frucht konnte sie verlocken. Ich glaube sogar, dass Dawn die Einzige ist, die das drohende Unheil von uns abwenden kann.«
Ach du lieber Himmel! Außer mir und Padera hielt das offensichtlich keiner für völligen Blödsinn.
Gladios nickte bedächtig. »Wir werden das berücksichtigen, Hadria. Madrene, dein Amulett ist daran schuld, dass ein Sterblicher in dieser Welt Schaden anrichten und selbst zu Schaden kommen konnte. Es war dir anvertraut, doch du bist deiner Verantwortung nicht gerecht geworden. Sollte es sich daher herausstellen, dass der Sterbliche in unsere Welt gekommen ist, um Dawn Schaden zuzufügen, wirst auch du dafür bestraft werden.«
Padera drückte die Hand ihrer Mutter.
»Und nun werden wir uns zur Beratung zurückziehen«, setzte der alten Nachtmahr hinzu und erhob sich. Die übrigen Mitglieder des Rates folgten seinem Beispiel, und mit wirbelnden Gewändern verließen sie gemeinsam die Halle.
Ich blickte Padera an. »Warum gehst du nicht mit ihnen?«
Sie errötete. »Es wurde beschlossen, dass ich wegen meiner … persönlichen Beziehung zu dir nicht unparteiisch bin und daher nicht über dein Schicksal mit entscheiden darf.«
»Dumm gelaufen, was?«, erwiderte ich bissig.
Sie schnitt mir doch tatsächlich eine Grimasse, aber ich lachte nur. Wenigstens ein Vorteil für mich.
Mir kam es vor, als warteten wir stundenlang, doch in Wahrheit war es wohl bloß eine halbe Stunde. Ich fummelte an meinen Fingernägeln herum und versuchte, mich auf Hadrias aufmunternde Bemerkungen zu konzentrieren.
Endlich kehrte der Rat zurück.
»Ihr habt die Argumente gehört«, sagte Morpheus zu den Ratsmitgliedern und stellte sich erneut neben mich. Auf der anderen Seite hielt Hadria meine kalte Hand. Mein Vater legte die Hände auf die Rückenlehne meines Stuhls und fügte hinzu: »Fällt euer Urteil. Nein, Padera, du sagst jetzt nichts mehr.«
Die Oberste Wächterin blickte mich wütend an, als hätte sich Morpheus, indem er sich neben mich stellte, endgültig gegen sie gewandt. Doch sie hielt den Mund, und ich brachte nicht einmal ein höhnisches Lächeln zustande. Ehrlich gesagt war ich so nervös, dass ich unablässig an der Innenseite meiner Unterlippe nagte, während ich darauf wartete, dass Gladios seinen Platz an der Tafel wieder einnahm. »Wir sind zu einer Entscheidung gelangt.«
Und? Ich hätte ihm am liebsten einen Tritt versetzt, damit er voranmachte.
»Wir haben entschieden, dass Dawn Riley aus Notwehr gehandelt hat und nicht die Absicht hatte, dieser Welt zu schaden. Wir werden keine Strafmaßnahmen gegen sie ergreifen.«
»Was?« Der spitze Schrei der Obersten Wächterin gellte mir in den Ohren. »Habt ihr denn alle den Verstand verloren?«
Mit unverändert ausdrucksloser Miene hob der Vorsitzende die Hand. »Allerdings sind wir der Ansicht, dass Madrene für den Verlust des königlichen Amuletts zur Verantwortung gezogen werden sollte. Sie ging damit das Risiko ein, dass dieser machtvolle Gegenstand in die falschen Hände geriet, und das ist unverzeihlich. Ich werde daher der Matrone empfehlen, sie zu hundert Jahren Haft im Dunklen Land zu verurteilen.«
Wer, zum Teufel, war die Matrone? Und was war das Dunkle
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