Wächterin der Träume
wünschte uns zurück in Hadrias Höhle, wo es, wie ich wusste, etwas zu essen gab. Außerdem wollte ich so weit fort wie möglich von diesem verdammten Nebel sein.
In der Höhle angekommen, schob mir Verek einen Stuhl hin, und ich dankte ihm für die höfliche Geste, während ich mich erschöpft darauf niederließ. Meine Güte, ich fühlte mich, als hätte man mich ein paarmal windelweich geprügelt. Daher war ich ein wenig erstaunt, als er sich zu mir herunterbeugte und mir ins Ohr flüsterte: »Gut gemacht, Prinzessin.«
Ich schnappte mir ein Stück Käse. »Ja, super.«
Nachdem ich mich ein wenig erholt hatte, verließ ich meine Trainer, um das zu tun, was ich an diesem Abend eigentlich vorgehabt hatte – Madrene zu suchen. Ich hatte größte Lust, zu verschwinden und, neben meinem Freund zusammengekuschelt, wie eine normale Frau zu schlafen und zu träumen. Doch das musste noch warten.
Ob ich wohl jemals wieder regelmäßig meinen Schlaf bekommen würde? Gleichgültig, ob die Zeit im Traumreich so erholsam war wie eine ausgedehnte REM -Phase, ich wollte einfach so träumen wie andere Menschen auch. Dabei hätte es mir auch nichts ausgemacht, von einer Klippe zu stürzen oder nackt herumzulaufen, solange es nur im Schlaf geschah.
Aber auch das musste warten. Hoffentlich nicht mehr lange. Sobald ich Madrene gefunden hatte, würde ich »normal« weiterschlafen, bis der Wecker klingelte.
Dazu musste ich den Sukkubus zuerst aufspüren und herausfinden, ob sie Antwoine ebenso gern wiederzusehen wünschte wie er sie. Ich wollte auf keinen Fall, dass mein Freund von der Frau, die er liebte, abgewiesen wurde.
Ich hatte allerdings keine Ahnung, wo sich Sukkubi normalerweise aufhielten – wenn sie nicht gerade sterblichen Männern erotische Träume verschafften. Da ich aber auf gar keinen Fall in einen solchen Traum geraten wollte, machte ich mich mit einer gewissen Vorsicht auf die Suche nach Madrene.
Das hätte ich schon vor Wochen tun sollen. Es war einfach zu blöd von mir, dass ich mich durch irgendwelchen Mist davon hatte abhalten lassen, mein Versprechen gegenüber Antwoine zu halten.
Ich konzentrierte mich darauf, nicht nur einen bestimmten, sondern alle Sukkubi aufzuspüren, denn offen gestanden wusste ich nicht, wie ich jemanden finden sollte, den ich überhaupt nicht kannte. Als Kind hatte ich zwar das Bordell schon einmal gesehen, aber meine Erinnerung daran war ein wenig verschwommen. Trotzdem fand ich den Weg zu dem Haus, in dem die Mädchen lebten. Die Inkubi lebten ebenfalls dort, und wenn man an die sexuelle Natur der beiden Arten dachte, konnte man sich leicht vorstellen, dass es dort so manche interessante Party gab.
Sie wollen wissen, welche Aufgabe diese Traumwesen eigentlich haben? Nun, sie sind für das Sexuelle zuständig, für Begierden und unterdrückte Gefühle. Außerdem sollen sie den Träumenden ganz einfach Vergnügen bereiten. Ist das nicht großzügig von meinem Vater?
Ich betrat die Eingangshalle eines Gebäudes, das wie ein Palast aus tausendundeiner Nacht wirkte. Dabei weiß ich nicht, ob es dort wirklich so aussah oder es nur eine Ausgeburt meiner Phantasie war. Die Wände in zarten Farben waren ebenso einladend wie die bunten Kissen aus Samt und Seide. Eigentlich kam es mir ein bisschen so vor wie mein Schlafzimmer in New York. Hm. Hadria hatte gesagt, ich sei ein wenig von allem. Wahrscheinlich entsprach mein Geschmack für Inneneinrichtungen dem eines Sukkubus. Es hätte schlimmer sein können.
Es roch nach Weihrauch – zart und würzig, berauschend und einladend. Nicht wie die billige Sorte, deren erstickend süßlicher Geruch den Gestank aus einem Abfluss überdecken konnte. Durch geschlossene Türen und schwere Stoffe gedämpft, wehte Musik durch die Räume.
Alles war genau so, wie man sich den Harem eines Sultans vorstellte. Allerdings war ich ziemlich sicher, dass mein Vater hier nicht seinem Vergnügen nachging. Zumindest hoffte ich es.
»Kann ich dir helfen?«, ließ sich eine äußerst gelangweilte Stimme mit starkem britischem Akzent hinter mir vernehmen.
Als ich mich umdrehte, stand ich einem Majordomus gegenüber, der wie Cary Grants Doppelgänger aussah. Mein Anblick schien ihn nicht sonderlich zu beeindrucken.
»Die Inkubi sind alle anderweitig beschäftigt«, teilte er mir mit und blätterte dabei in einem großen, ledergebundenen Buch. »Du musst einen Termin machen.«
»Ich bin nicht wegen eines Inkubus hier«, erwiderte ich, bemüht, mir
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