Wächterin der Träume
Vielleicht konnte es auch Verek nicht. Na toll.
Aber meine Freude hatte wie immer ein Ende, als der Nebel herangestürmt kam wie eine Horde übermütiger Welpen. Er schubberte sich förmlich an Verek und Hadria, und ich glaubte fast, zu sehen, wie er sich sträubte, als er mich sah.
Es war zu gruselig. Er sah aus wie normaler Nebel. Vielleicht ein bisschen sehr dicht, aber keineswegs bedrohlich. Ich brauche nicht zu erwähnen, dass der Schein trügen kann, oder?
Vielleicht bildete ich es mir nur ein, aber mir schien, als hörte ich ihn wispern, als er über die glatten Steine der Auffahrt auf mich zuglitt. Ich stand ganz still, versuchte gleichmäßig zu atmen und ließ ihn herankommen. Verek und Hadria sahen aus einiger Entfernung zu. Auf den kantigen Zügen meines Nachtmahr-Trainers lag ein hoffnungsvoller Ausdruck, und ich wusste, dass er beinahe so nervös war wie ich.
»Monstrum«
, wisperte der Nebel.
»Abartig.«
Er umwallte meine Beine. Ich konnte die Kälte durch die Jeans hindurch spüren, doch ich rührte mich nicht vom Fleck, nicht einmal, als eine scharfe Kralle meine Hand zerkratzte. »Lass das«, sagte ich leise. »Ich tu dir nichts.« Ich wollte mich über seine Worte, die ich alle schon einmal gehört hatte, nicht aufregen.
»Bedrohung«
, ertönte wieder die wispernde Stimme, die klang, als würden tausend Kinder gleichzeitig flüstern.
»Ich bin keine Bedrohung«, sagte ich noch einmal. Ich versuchte, ruhig und gleichmäßig zu atmen. Trotzdem hämmerte mein Herz gegen meine Rippen wie die Bässe in einer Disco.
Der Nebel umwaberte mich, kratzte und kniff mich, während er immer höher stieg. Als er mein Gesicht erreichte, erstarrte ich. Ich durfte mir jetzt keine Blöße geben und wütend werden, so gern ich auch meine Morae-Klinge gezückt und die widerlichen Schwaden in Fetzen gehackt hätte.
Kühle Finger tasteten sich in mein Haar und zerrten so heftig daran, dass mir die Tränen kamen. »Lass das!«, zischte ich.
Hörte ich da etwa Gelächter? Mein Zorn loderte auf, doch ich biss die Zähne zusammen und schwieg. Meine Wut und Furcht würden das Ding nur in seiner Überzeugung bestärken, dass ich sein Feind war.
Doch dann verpasste es mir drei klaffende Risse auf der Wange. Ich schrie auf, wodurch der Schmerz noch größer wurde. Mein Gesicht brannte, und Blut lief mir über Kinn und Hals. Als das Gift in meinen Körper drang, brach ich in die Knie und schnappte nach Luft, während der Nebel mich einhüllte und mit Zähnen und Klauen nach mir schlug wie ein Rudel ausgehungerter Löwen. Er legte sich so fest um mich, dass meine Rippen krachten und ich keine Luft mehr bekam.
Ich konnte mich nicht mehr verteidigen, doch während ich um Atem rang, versuchte ich im Geiste, zu dem Nebel vorzudringen – nicht um ihn zu verletzen, sondern um ihn davon zu überzeugen, dass ich keine Bedrohung darstellte. Dabei stieß ich auf etwas. Es war, als würde der Nebel durch meine Haut dringen und ein Teil von mir werden.
Dann war er plötzlich verschwunden. Ich lag auf dem steinigen Boden, und Hadria und Verek knieten neben mir. Vereks Gesicht verriet Wut und Sorge, doch Hadrias Miene war so heiter und gelassen wie immer. Ich konzentrierte mich auf sie.
Lange, kühle Finger berührten meine Stirn. »Heile dich selbst, Dawn«, forderte sie mit ruhiger Stimme. »Ich helfe dir dabei.«
Sie begann, in einer alten Sprache zu singen, die ich zwar erkannte, jedoch nicht richtig verstand. Es war die Sprache des Traumreichs, älter als die Menschheit. Während ich mich auf den Rhythmus ihrer Worte konzentrierte, zwang ich meinen Körper, sich selbst wieder zusammenzuflicken. Nachdem mich der Nebel das erste Mal angegriffen hatte, hatte mir Morpheus ein spezielles Gebräu verabreicht, um das Gift aus meinem Körper zu ziehen, doch mittlerweile besaß ich genug Wissen, um die Behandlung an mir selbst vorzunehmen.
Als ich die Augen wieder aufschlug, war ich geheilt. Nur ein leichtes Kribbeln an einigen Stellen erinnerte noch an den Angriff des Nebels.
»Sind wir jetzt fertig?«, fragte ich lakonisch.
Hadria half mir auf die Beine, während Verek ganz in der Nähe stand. Sie lachte. »Ich glaube schon. Irgendwann wirst du mit dem Nebel fertig werden, Dawn. Aber ich muss sagen, von einigen deiner anderen Fähigkeiten war ich sehr beeindruckt.«
»Danke.« Hoffentlich klang ich selbstsicherer, als ich war. Ich ergriff ihre Hand und hielt mich an Vereks Arm fest. Wortlos schloss ich die Augen und
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