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Wächterin der Träume

Wächterin der Träume

Titel: Wächterin der Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathryn Smith
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Eine Lesbe konnte schwerlich etwas mit einem Inkubus anfangen. Huch. Man lernte doch immer noch etwas dazu. Wer hätte gedacht, dass mein Vater solch eine verrückte Seite besaß. Schließlich hatte er diese Welt mit allem Drum und Dran erschaffen.
    Bei dem Gedanken wurde mir ganz schwindlig. Mein Vater war ein Gott. Wirklich und wahrhaftig ein
Gott.
    »Wir sollten jetzt gehen. Er wundert sich bestimmt schon, wo wir bleiben«, sagte ich endlich und meinte natürlich Antwoine. »Fertig?«
    Madrene strich sich mit den langen, zarten Händen über die Hüften. Nirgendwo malten sich Nähte von Unterwäsche ab. »Sehe ich einigermaßen gut aus?«
    Ich machte große Augen – riesengroße. »Äh, ja.«
    »Meinst du, ich gefalle ihm?«
    »Du weißt doch, dass er älter geworden ist, seit du ihn das letzte Mal gesehen hast, oder?« Ich konnte es nicht fassen, dass sie sich Gedanken über ihr Aussehen machte, obwohl sie doch bestimmt genauso vollkommen war wie damals.
    »Er ist immer noch mein Antwoine«, entgegnete sie mit einer gewissen Schärfe.
    Ich lächelte. »Na gut. Ich glaube nicht, dass er etwas an dir auszusetzen hat, mach dir keine Sorgen.«
    Sie erwiderte das Lächeln – ein wenig unsicher, wie ich feststellte – und reichte mir die Hand. »Ich bin bereit. Bring mich bitte zu ihm.«
    Ich ergriff ihre warme Hand, dachte an Antwoine und wünschte uns an den Ort, wo er sich befand – so, wie ich es zuvor mit Verek und Hadria getan hatte. Eben noch befanden wir uns in dem nächtlichen Garten, und gleich darauf standen wir in der Einfahrt zu einem großen weißen Haus mit einer riesigen Veranda nebst altmodischer Holzschaukel. Es war ein strahlend schöner Sommertag, und die Mittagssonne brannte auf uns herab. In den alten, hohen Bäumen sangen die Vögel, und es roch nach Blumen, frisch gemähtem Gras und Apfelkuchen im Backofen.
    Madrene blickte mich erstaunt an. »Du bist wirklich anders als wir anderen.«
    Da ich annahm, dass es als Kompliment gemeint war, verzog ich keine Miene und ließ ihre Hand los. »Ich weiß.«
    Bevor ich es mich versah, hob sie den Saum ihres Kleides und sank anmutig und mit gesenktem Kopf vor mir auf die Knie. »Ich danke Euch, Euer Hoheit. Ich stehe auf ewig in Eurer Schuld.«
    »Ach du lieber Himmel, steh bitte auf!« Ich hätte die zierliche Person am liebsten hochgezogen, hatte jedoch Angst, ihr weh zu tun. »Ich wünschte wirklich, du würdest das lassen. Mein Name ist Dawn.«
    Sie erhob sich und nahm meine geballten Fäuste in ihre schmalen Hände. Dann küsste sie meine Fingerknöchel, ohne eine Spur von Lippenstift zu hinterlassen. Das Rot ihrer Lippen war echt. Wie konnte ich ihr da noch etwas übelnehmen?
    »Dawn«, wiederholte sie. Von ihren Lippen klang mein Name fremdartig. »Ich kann niemals wiedergutmachen, was du …«
    »Madrene?« Als sie Antwoines bange Stimme hörte, verstummte sie. Wir blickten beide zu der Veranda hinüber.
    Ich blinzelte. Und dann fielen mir fast die Augen aus dem Kopf. Fast hätte ich nach Luft geschnappt. Dort, auf der weißgetünchten Veranda, stand ein Mann, der sich anhörte wie mein Freund Antwoine. Doch damit hörte die Ähnlichkeit auch schon auf.
    Dieser Antwoine war jung – vielleicht in den Dreißigern. Besonders groß war auch er nicht, doch fit und muskulös. Er trug Khakishorts und ein weißes Hemd mit offenem Kragen und wirkte wie eine Kreuzung aus Denzel Washington und dem jungen Morgan Freeman mit einer Spur Sydney Poitier. Er sah phantastisch aus – gepflegt und elegant. Verdammt. Es war so, wie Madrene ihn sah – und er sich selbst auch.
    Madrenes große Rehaugen füllten sich mit Tränen. Sie ließ meine Hände fallen wie heiße Kartoffeln, rief »Antwoine!« und rannte zu ihm. Mit einem Satz sprang er die Stufen von der Veranda herunter, fing Madrene in seinen Armen auf und schwang sie im Kreis herum wie im Werbespot einer Telefongesellschaft.
    Als ich feststellte, dass beide weinten, wusste ich, dass es für mich Zeit war zu gehen. Es war ein sehr inniger Augenblick zwischen den beiden. Lächelnd und ziemlich gerührt, wandte ich mich ab.
    »Dawn!«
    Ich blickte über die Schulter. Antwoine sah so jung aus! Er lächelte mich an, während ihm die Tränen über die Wangen liefen. »Danke.«
    Ich nickte nur, denn der Kloß in meinem Hals war so dick, dass ich kein Wort herausbekam. Dann verließ ich den Schauplatz des glücklichen Wiedersehens und machte mich auf die Suche nach Noah. Wir hatten vereinbart, dass ich

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