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Während die Welt schlief

Während die Welt schlief

Titel: Während die Welt schlief Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Abulhawa
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Stunden mit Sara und mir war er sehr gut aufgelegt. »Amal, ich habe meinen
Vater schon lange nicht mehr so glücklich erlebt«, flüsterte mein Cousin mir zu.
    Erst an unserem dritten Abend in Jenin, am 2. April, erfuhr ich, dass Haj Salim noch am Leben war.
    »Wir bringen ihm abwechselnd jeden Tag etwas zu essen, so wie unsere Mütter es taten. Die Kinder hier kennen ihn nicht so gut wie wir. Ich weiß nicht genau, wann er aufhörte, Geschichten zu erzählen. Nach und nach, denke ich. Die meiste Zeit schnitzt er jetzt Stöcke mit einem kleinen Taschenmesser. Wir achten aber darauf, dass die Klinge nicht zu scharf ist«, erklärte Huda.
    Am Tag darauf wollte ich ihm gleich frühmorgens einen Besuch abstatten.
    Wir bereiteten uns auf die Nacht vor. In der ganzen Stadt wurden die Lichter gelöscht oder hinter schwarz verhangenen Fenstern verborgen. Israel hatte mit der Bombardierung der kleinen Stadt Bethlehem ganz in unserer Nähe begonnen und Hunderte Soldaten um Jenin herum zusammengezogen.
    Geschützt hinter Sandsäcken, im Schein einer Kerze, schwelgten Huda und ich in Erinnerungen. Wir erzählten unseren Kindern von Tränen und Freuden und stießen auf Perlen, die wir fast vergessen hatten. In dieser Nacht machten wir Hudas Hütte zu einer Insel aus bescheidenem Glück, umgeben von einem Meer der Angst.
    Mansur lehnte sich gegen ein paar Sandsäcke direkt gegenüber von uns und zeichnete. Gelegentlich lächelte er sogar. Saras Vokabular bestand nur noch aus den drei Wörtern »Erzählt mir mehr«, während Huda und ich unser gemeinsam verbrachtes Leben Revue passieren ließen und es mit unseren Kindern teilten. Das Warda-Haus, in dem unsere einarmige Puppe wohnte, die Bäume, auf die wir kletterten, unsere Hüpfspiele,
Yussufs schmutzige Zeitschriften, die Einsamkeit Babas, die Morgendämmerung, Mama, Haj Salim, unsere Spuckwettkämpfe, der Krieg. Wir waren wie Schwestern aufgewachsen, und jetzt fassten wir uns an den Händen, wie früher, und Hand in Hand gingen wir den Weg unserer Erinnerungen zu Ende. Sara legte den Kopf an meine Schulter, schlang die Arme um mich, wie sie es schon sehr lange nicht mehr getan hatte. Und während die vibrierende Luft draußen den bevorstehenden Tod ankündigte, lechzte ich nach der Liebe, die ich mir selbst und diesem perfekten Kind, das sich gerade an mich schmiegte, verweigert hatte. Plötzlich begriff ich, dass ich mich selbst – mein Zuhause – gefunden hatte. Und Sara war ein Teil davon.
    »Legen wir die Nacht in Allahs Hände. Möge Allah uns beschützen und auch Jamil, meinen Jungen, wo immer er sich jetzt befindet«, sagte Huda. An der Stelle, an der wir gerade waren, streckten wir uns nebeneinander auf den Kissen am Boden aus und schlossen die Augen. Stunden vergingen, und trotzdem schien es, als hätten wir gerade erst die Augen zugemacht, als ein Schwall von Stimmen durch das dunkle Lager schwappte: »Die Juden kommen! Die Juden kommen!«
    Die Juden kommen.
    Plötzlich huschte ein hübscher junger Mann mit nacktem Oberkörper zu uns herein, in gekrümmter Haltung, um durch die Tür zu passen. Im Schein einer Laterne traten die kräftigen Muskeln unter seiner braunen Haut hervor. Er flüsterte Huda zu: »Ya ummi, bist du wach? Mansur, mein Bruder, wo bist du?« Er knipste den Lichtschalter an. »Für den Augenblick ist alles in Ordnung. Die Juden werden erst in einer Stunde hier sein.«
    In einer Stunde.
    Mit verweinten Augen schlang meine beste Freundin die Arme um ihren Sohn. Sie küsste ihn überschwänglich, achtete
darauf, dass keine Stelle in seinem hübschen Gesicht ohne Kuss blieb, kein Zentimeter ohne mütterliche Liebe. Huda wusste, dass Jamil nach Ablauf dieser Stunde vielleicht nie mehr zurückkommen würde. Der Anblick dieser Abschiedsszene brachte mich dazu, meine Tochter zu packen. Weinend zogen wir uns zurück, um die beiden in diesem Moment der intimsten Gefühle alleine zu lassen.
    »Mansur, mein Bruder, wenn irgendetwas passieren sollte, musst du dich um Mutter kümmern«, sagte Jamil, der Mansurs stumme Antwort deuten konnte.
    Als Jamil im Begriff war zu gehen, passierte etwas Erstaunliches. Es dauerte weniger als dreißig Sekunden – trotzdem eine Ewigkeit –, und ich glaube, ich war die Einzige, die es bemerkte. Jamil, der um den Kopf ein schwarz-weißes Stirnband und an den kräftigen Armen rote, kommunistische Armbinden trug, richtete seine schwarzen, runden Augen auf Sara, und sein eindringlicher, appellierender Blick hielt sie beide im

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