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Während die Welt schlief

Während die Welt schlief

Titel: Während die Welt schlief Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Abulhawa
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ist bei der Widerstandsbewegung«, sagte sie und öffnete die Blechtür ihrer Hütte. »Die Juden töteten seinen Zwillingsbruder Jamal, als er zwölf Jahre alt war. Jamil kam nie darüber hinweg, dass sein Bruder in seinen Armen starb. Setzt euch, ich mache uns einen Tee.«
    Hudas Augen leuchteten aus einem Gesicht hervor, auf dem die Jahrzehnte und der Verlust ihres Kindes Spuren hinterlassen hatten. In ihren Augen entdeckte ich das Jenin unserer gemeinsamen Vergangenheit, vermischt mit dem heutigen, größeren und übervollen Jenin. Auch unsere Freundschaft lag in diesem Blick. Ich suchte nach den Heimatgefühlen, die ich in Jenin erwartet hatte, aber ich fand keine. Hatte ich mich so sehr verändert? Es erschien mir irgendwie unnatürlich, die Fäden einer so weit entfernten Vergangenheit wieder aufzunehmen.
    »Mansuuuuur!«, rief Huda ihren Jüngsten. Nach wenigen Minuten kam ein großer, lässiger, junger Mann mit eingezogenem Kopf über die Schwelle. Er warf uns einen flüchtigen Blick zu, weder höflich noch unhöflich. Seine Arme hingen schlaff am Körper, als zögen die Hände, die über und über mit
Farbe bespritzt waren, sie herunter. »Habibi, das ist Ammitu Amal. Endlich ist sie zurück! Und hier ist ihre Tochter Sara«, sagte sie. Er gab uns die Hand, ignorierte uns aber und verschwand durch die Tür, wie er gekommen war, schweigsam und in gebückter Haltung.
    »Das war Mansur, mein Jüngster. Er ist Künstler!«, erklärte Huda, als sie mit einem Tablett, auf dem drei Gläser heißer Tee und ein paar Kekse standen, aus ihrer winzigen Küche kam. »Nehmt es ihm nicht übel. Mansur redet nicht. Mit sechs hat er die Sprache verloren.«
    Etwas später schauten Sara und ich zu, wie Mansur auf eine Wand das Porträt eines Shahid malte. Es war der Mann, der das Café in Jerusalem in die Luft gesprengt hatte. Mansur bemalte die Wand mit großen, fließenden Pinselstrichen – dieses Bild würde die drohende israelische Invasion empfangen. Bald tauchte inmitten der Farbe ein unversöhnliches Gesicht auf, mit überlebensgroßen Augen, die unter einer fest geknoteten Kufiya skeptisch in die Zukunft schauten, in das hoffnungslose Jahr 1948 und auf die Freiheit eines Märtyrertodes.
    Obwohl er mit niemandem sprach und die Leute höchstens flüchtig anschaute, war Mansur sehr beliebt im Lager. Alle schienen seinen Namen zu kennen. Passanten blieben stehen, bewunderten sein Werk, klopften ihm auf den Rücken und murmelten dankende Worte und Gebete, als sie den talentierten Jungen sahen.
    »Er ist sehr begabt, was?«, sagte Sara.
    Was aber am meisten berührte, war nicht seine künstlerische Fähigkeit, sondern seine Schweigsamkeit. Eine so kompakte und nicht zu durchdringende Schweigsamkeit, dass sie sich fast zu materialisieren schien. Mansur malte aus einer tiefen Sprachlosigkeit heraus, sie begleitete ihn wie eine unsichtbare Kraft.

    »Ich bin wütend bei dem Gedanken, was sie ihm angetan haben. Und dass sie ungestraft davongekommen sind«, schimpfte Sara. Beim Tee hatte Huda uns in groben Zügen geschildert, wie er im Alter von sechs Jahren mit verbundenen Augen in einen israelischen Armeejeep verfrachtet worden und eine Woche später gegen ein Lösegeld von fünfhundert Dollar zurückgekehrt war. »Er war immer schon das sensibelste meiner Kinder. Derjenige, der mich am allernötigsten brauchte«, hatte Huda gesagt.
    Ammu Darwish war zu einem geliebten Patriarchen im Lager geworden. Ich konnte es an der Zahl der Leute in seinem Haus ablesen. Die meisten erkannten mich, als ich über die Türschwelle trat. »Bist du wohl diejenige, an die ich denke?«, rief einer meiner Cousins aus, als er auf mich zukam, um mich zu umarmen.
    »Gelobt sei er, der unsere lieben Menschen aus Al Ghurba nach Hause zurückkehren lässt«, sagte ein anderer. »Gelobt sei er.« Und alle erhoben sich ungeduldig, um mich willkommen zu heißen, warteten aber doch respektvoll, bis mein Onkel mich als Erster begrüßt hatte.
    Ich lief auf Ammu Darwish zu und beugte mich zu seinem Rollstuhl herab, damit er mich umarmen konnte. »Ya Habibti, ya Amal.« Meinem Onkel kamen die Tränen. »Du bringst die Erinnerung an Hasan und Dalia in dieses Haus, mein Liebling. Du bringst mir Freude, meine schöne Tochter.« Ich küsste dreimal seine Hand und führte sie zwischen jedem Kuss an meine Stirn.
    Im Laufe des Abends schwoll mein Herz immer mehr an vor lauter Liebe und Erinnerungen. Ammu Darwish war alt und gebrechlich geworden, aber während der

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