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Während die Welt schlief

Während die Welt schlief

Titel: Während die Welt schlief Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Abulhawa
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reichten ein Tablett mit Kunafa herum, einer Süßspeise aus Käse und Sirup. Ohne Zweifel feierten sie die Geburt meiner Nichte.
    Und da war er.
    Yussuf! Mein Bruder, lieber Gott!
    Obwohl wir uns dreizehn Jahre lang nicht gesehen hatten, war kaum etwas zwischen uns. Vielleicht zwanzig Schritte. Leicht zu überbrücken. Ein kurzes Stück über einen Schotterweg, wo der Käfig eines Kanarienvogels und ein paar Topfpflanzen der Armut zu trotzen versuchten.
    »Amal!« Als er mich entdeckte, erhob er sich sofort aus dem Kreis seiner PLO-Kameraden. Die Enden seines Barts, sorgfältig gewachst, kringelten sich um die Spitzen seines Lächelns.
    Ich ließ meine kleine Handtasche fallen und rannte auf ihn zu. Sicher in seinen Armen geborgen, genoss ich den Moment und versuchte, die verlorenen Jahre aus seiner massigen Brust herauszusaugen, die sich so sehr wie die unseres Vaters anfühlte. Einen Augenblick lang linderten die Arme meines Bruders die Einsamkeit in meiner Seele.
    Im Hof wachten die Ehefrauen der Männer über Mutter und Kind. Sie sprangen auf, als wir eintraten, umarmten und küssten mich.

    »Es ist schön, dich endlich kennenzulernen«, zwitscherten einige gleichzeitig.
    »Fatima hat uns so viel über dich erzählt«, riefen andere. Eine Frau mit rot gepunktetem Kopftuch schürzte die Lippen und sagte: »Fatima hat uns erzählt, dass du als Kind angeschossen wurdest. Möge Allah sie alle erschießen.«
    »Amen«, bekräftigte eine andere. »Trink ein Glas Tee. Und nimm etwas Kunafa.«
    Die Älteste, in eine traditionelle, bestickte Thoba und ein weißes Kopftuch gehüllt, erhob sich mühsam und unterbrach die anderen: »Meint ihr, sie ist hier, um euch zu besuchen? Oder wohl doch ihre Verwandten und das Baby?« Sie führte uns in den Gemeinschaftsraum, der zu der Wohnung meines Bruders gehörte. Bad und Küche waren auf der anderen Hofseite.
    Fatima wirkte beinahe komatös. Sie hatte einundzwanzig Stunden in den Wehen gelegen. Meine kleine Nichte schlummerte engelhaft neben ihrer Mutter. Sie hatte den Namen Filastin bekommen – das arabische Wort für Palästina.
    »Wie originell«, sagte ich scherzhaft zu Yussuf, der die Hand nach seiner kleinen Tochter ausstreckte.
    Der breitschultrige Yussuf, der die kleine Filastin mit unendlicher Zärtlichkeit in den Armen wiegte – was für ein Anblick! Wenn ich jetzt daran zurückdenke, dann sehe ich vor allem Yussufs uneingeschränkte Hingabe an seine Familie. Ich höre immer noch seine Worte: »Ich halte das vollkommenste Geschöpf Gottes in den Armen. Willst du auch mal, Schwesterchen? «
    »Ismallah, ismallah!« Ganz vorsichtig nahm ich meine kleine Nichte. Mein Herz wollte schier zerspringen vor lauter Liebe. Ihr winziger Mund öffnete sich, zart gähnte sie, und ich beugte mich näher zu ihr hin, um ihren Geruch in mich aufzunehmen.
Es gibt kaum etwas Reineres als Babys – es ist, als wohnte Gott in ihren schwachen Atemzügen. Als Filastin gähnte, war mir, als spürte ich den Hauch göttlicher Verheißung – einer Verheißung, die sogar uns vergönnt war.
    Ich legte meine Nichte an die Brust ihrer schlafenden Mutter und beobachtete meinen Bruder, der voller Herzenswärme zwischen seiner Frau und dem Neugeborenen hin- und herschaute. In jenem Flüchtlingslager, das Israel als »Brutstätte des Terrorismus« und »schwärende Wunde des Terrors« bezeichnete, wurde ich Zeugin einer unfassbar großen Liebe, die selbst die Unendlichkeit hätte lächerlich klein erscheinen lassen.
    Später, als ich mit meinem Bruder allein im Hof saß, war die Zeit gekommen. »Ich habe etwas für dich«, sagte ich und holte Babas Pfeife aus der Tasche. Ganz langsam übergab ich ihm das Päckchen, genau wie Ammu Jack O’Malley, Friede seiner Seele, es mir überreicht hatte, als er mich vor vielen Jahren ins Waisenhaus brachte.
    Die Ernsthaftigkeit meiner im Schildkrötentempo ausgeführten Geste brachte Yussuf auf die Beine. Als er die Pfeife auspackte, erfüllte ein zarter Duft nach Apfel-Honig-Tabak die Luft, und seine Knie zitterten. Seine Schultern fielen nach vorne, und dann sah ich meinen Bruder weinen, zum ersten Mal überhaupt.
    »Woher hast du die?«, wollte er wissen, als er sich wieder gefangen hatte und sich die Tränen abwischte.
    Der Wunsch, nur noch einen einzigen Augenblick mit unserem Vater verbringen zu können, war wie ein ständiges Summen in unserem Hinterkopf gewesen. Jetzt, in diesem Moment, war diese Sehnsucht ins Zentrum unseres Bewusstseins gerückt und

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