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Während ich schlief

Während ich schlief

Titel: Während ich schlief Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Sheehan
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flicka«, sagte sie auf Schwedisch. »Ich tue, was Sie möchten.«
    Nach unserem Abschiedsessen umarmte Daddy mich, bevor Mom mich in meinen großen begehbaren Wandschrank führte, wo wir meine Stase-Röhre aufbewahrten. Sie half mir hinein und küsste mich. »Du machst mich sehr stolz, weißt du das, Liebling? Du triffst am Ende immer die richtigen Entscheidungen.«
    »Danke, Mom«, sagte ich. »Ich hab dich lieb.«
    »Ich dich auch. Bis in ein paar Monaten.«
    »Gute Reise.«
    »Gute Nacht.«
    »Gute Nacht.«
    Die Musik setzte ein, und ich roch schon den süßen Duft der Stase-Chemikalien, als der Deckel sich langsam über mir schloss. Mom hatte recht. Das war die richtige Entscheidung.
    Ich versuchte, nicht an Xavier zu denken.

    Zuerst hielt ich wie immer die Augen geschlossen, um in meinem Stase-Traum zu bleiben, in dem ich auf glühender Lava dahinglitt. Die Lava hätte kochend heiß sein müssen, fühlte sich aber so angenehm an wie ein entspannendes Bad. Jemand hielt ruhig meine Hand, was mich wunderte. Mom schüttelte mich normalerweise immer, bis ich die Stasis und meinen Traum aufgab. Diese stille Präsenz brachte mich schneller zu mir, als Moms Drängen es je geschafft hatte. Zu meiner Verblüffung war es nicht ihr Gesicht, das lächelnd auf mich herabblickte. »Xavier?«
    Er grinste breit wie ein Kirchenportal.
    »Wie bist du hier hereingekommen?«
    Er deutete mit dem Kopf hinter sich, wo Åsa an der Tür stand. »Guten Morgen, Miss.«
    »Was ist los?«, fragte ich.
    Die Antwort machte mich zugleich überglücklich und schuldbewusst. Åsa hatte Xavier meine Nachricht überbracht und ihn gefragt, warum ich in Stasis versetzt wurde. Xavier hatte ihr die Wahrheit gesagt, nämlich dass meine Eltern das regelmäßig taten. Als er gestand, dass er mich bereits kannte, seit ich sieben war, sagte sie nichts. Doch am Morgen nach der Abreise meiner Eltern hatte sie mutig an Xaviers Tür geklopft und gefragt, ob er wisse, wie so eine Stase-Röhre funktioniere. Xavier war ein ziemlich gewiefter Hacker, und innerhalb weniger Stunden hatte er herausgefunden, wie er den Chronometer an meiner Stase-Röhre so manupulieren konnte, dass die Anzeige weiterlief, als wäre ich noch darin.
    Åsa hatte beschlossen, sich eigenmächtig um mich zu kümmern, solange meine Eltern weg waren. Ich konnte weiter zur Schule gehen, konnte mein Leben leben, und konnte Xavier behalten. Meine Eltern achteten nicht groß auf meine Schulleistungen, und Schulen sagen nichts, wenn die Kinder zum
Unterricht erscheinen – nur, wenn sie ihm fernbleiben. Mom und Daddy würden es nie erfahren. Am Tag, bevor sie zurückkommen sollten, würde ich wieder in die Stasis abtauchen, und dank Xaviers Hackerkünsten würden sie nichts merken. Als ich Åsa fragte, warum sie das für mich tat, sagte sie nur, dass es ihr nicht zustehe, meine Eltern zu kritisieren, sie aber Anweisung habe, den Haushalt während ihrer Abwesenheit nach bestem Wissen und Gewissen zu führen.
    Ich dagegen hatte ein schlechtes Gewissen, weil ich meine Eltern so hinterging. Wenn Xavier nicht gewesen wäre, hätte ich darum gebeten, mich wieder hineinzustecken, und brav auf Moms und Daddys Rückkehr gewartet. Aber Xavier war nun einmal da, und diese Chance würde ich mir nicht entgehen lassen.
    Und so begann das beste Jahr meines Lebens. Meine Eltern kamen tatsächlich nach zwei Monaten zurück. Ich schlüpfte fröhlich wieder in meine Stase-Röhre, und achtzehn Stunden später holten sie mich zu meinem Champagnerfrühstück heraus.
    Anderthalb Monate darauf, als sie wieder verreisten, ließ ich mich klaglos in Stasis versetzen. Bei ihrer Rückkehr nach zwei Wochen ahnten sie nicht, dass ich in dieser Zeit munter weitergelebt hatte. So ging das weiter, das ganze Jahr. Ich hätte meinen sechzehnten Geburtstag verpasst, hätten Åsa und Xavier mich nicht befreit. Sie gaben eine kleine Party für mich, und Åsa sang mir ein Geburtstagslied auf Schwedisch. Zum ersten Mal erlebte ich den Wechsel der Jahreszeiten vom Sommer zum Herbst zum Winter und wieder zum Frühling.
    Am ersten warmen, klaren Abend in diesem Frühling saßen Xavier und ich in eine Decke gehüllt draußen im Garten und sahen zu, wie der Mond aufging.

    »Wie sehr ich das liebe«, flüsterte ich.
    »Wie sehr ich dich liebe«, flüsterte Xavier mir ins Ohr, dass mir eine Gänsehaut über den Rücken lief. »Ich bin so froh, dass ich dich nicht mehr ständig verlieren muss.« Er küsste mich auf die Schläfe. »Immer und

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