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Während ich schlief

Während ich schlief

Titel: Während ich schlief Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Sheehan
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immer wieder.« Bei jedem Wort küsste er eine andere Stelle. »Es war jedes Mal, als wärst du gestorben.«
    Ich sah in sein Gesicht, blass im Mondlicht. »Hast du das wirklich so empfunden?«
    »Ich trauere jedes Mal«, sagte er. »Und habe immer Angst, dich nicht wiederzusehen.«
    Ich fröstelte, ein Nachklang des schwindenden Winters. Doch Xavier hielt mich warm. »Das wird nie passieren«, beruhigte ich ihn.
    »Woher weißt du das? Du hättest sieben von den vergangenen zehn Monaten verpasst, wenn Åsa nicht gewesen wäre. Du wärst immer noch fünfzehn.«
    »Und du hättest mich wieder ein Stück hinter dir zurückgelassen«, sagte ich leise.
    »Du bist es, die mich immer wieder verlässt.«
    »Bis jetzt habe ich ... auf dich gewartet. Aber nun bist du so viel weiter. Ich fange an zurückzufallen.«
    Xavier streichelte mich und sah mir ernst in die Augen. »Meinst du nicht, wir sollten es jemandem sagen?«
    »Was sagen?«
    »Wie oft du in den Stasezustand abgeschoben wirst. Das kann nicht gut für dich sein.«
    »Ich bin zu reizbar und nervös. Ich muss mich manchmal entspannen.«
    Xavier schnaubte. »Deine Eltern würden jedes Kind in die Stasis stecken, ob reizbar oder nicht. Ich habe dich noch nie anders als lieb und gefügig erlebt.« Er drückte mir eine Reihe
von Küssen auf die Stirn. »Du bist eigentlich kein Mensch, du bist ein Engel.«
    »So bin ich nur, weil ich weiß, dass ich mich von allem zurückziehen kann, wenn ich es brauche«, erwiderte ich.
    »Ich neige eher dazu, es für eine glückliche Charaktereigenschaft zu halten«, sagte Xavier. Dann seufzte er. »Oder vielleicht doch nicht so glücklich, denn wenn du nicht so nachgiebig wärst, würdest du nicht zulassen, dass sie dich zwingen, ein Kind zu bleiben.«
    Ich ging auf Abstand. »Rede nicht so. Außerdem, wenn ich nicht so oft in Stasis gewesen wäre, wären wir beide nie zusammengekommen.«
    Er lächelte und zog mit den Fingern meine Augenbrauen nach. »Sieben Jahre sind kein unüberwindlicher Altersunterschied.«
    Ich sagte nichts darauf, rechnete aber im Stillen nach. Meiner Geburtsurkunde zufolge müsste ich achtunddreißig sein. Demnach hatte ich mehr Jahre verloren, als mir im Kindesalter bewusst gewesen war. Mom und Daddy kamen mir nicht so alt vor, aber sie machten häufig interplanetarische Reisen und verbrachten selbst viel Zeit in Stasis. Ich betrachtete Xavier. Wenn ich nie in Stasis versetzt worden wäre, wäre ich bei seiner Geburt zweiundzwanzig gewesen. Ich hätte seine Mutter sein können.
    Der Gedanke bereitete mir Unbehagen. Ich schmiegte mich wieder an ihn. »Ich liebe dich«, flüsterte ich.
    »Ich liebe dich auch, Rose«, sagte er. »Jetzt und immer.«
     
    Jetzt und immer. Ich fragte mich, ob sein Geist über mir wachte, von irgendwo dort, wo die Geister der Verstorbenen auch hingehen mochten. Liebte er mich auch jetzt noch?
    Ich legte letzte Hand an meine neueste Skizze von ihm.
Es war eine morbide und wahrscheinlich krankhaft obsessive Beschäftigung, aber sie lenkte mich von Bren und Guillory ab und davon, dass ein Auftragskiller hinter mir her war. Xavier war nach wie vor mein Anker, wenn auch nur in meiner Vorstellung.
    Wohin wir eigentlich fuhren, hatte ich immer noch nicht gefragt, aber am späteren Nachmittag glitt Guillorys Schwebejacht in südlicher Richtung übers Meer. Die Jacht war mit jeglichem Luxus ausgestattet. Kurz nach Mittag hatte er einen Kaviarlunch hervorgezaubert, und er bot mir an, in dem kleinen, eleganten Bad zu duschen, was ich höflich ablehnte. Ich konzentrierte mich lieber auf meine Xavier-Porträts und hatte beschlossen, dieses Skizzenbuch mit einer Serie vom Babyalter an aufwärts zu füllen. Gerade war ich mit einer Studie von ihm als Zwölfjähriger fertig geworden, als Guillory plötzlich munter wurde und aufmerksam aus dem Fenster blickte.
    Er hatte die meiste Zeit über holofoniert oder am Notescreen gearbeitet. Nun, als die untergehende Sonne den Himmel rotgold färbte, verabschiedete er sich von seiner Sekretärin, schaltete das Fon aus und zeigte hinaus. »Da sind wir.«
    Ich hatte halb erwartet, dass er mich auf seine eigene Privatinsel bringen würde; eine solche Extravaganz traute ich ihm durchaus zu. Doch es war ein bewohntes Gestade, auf das wir zusausten.
    »Wohin geht es jetzt?«
    »Ich habe hier eine Hotelsuite, incognito«, sagte Guillory. »Ganz nützlich, wenn ich mal für ein paar Tage abschalten will. Man kennt mich hier als Mr. Jance, also nenn mich bitte

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