Während ich schlief
Notescreen Ausschau. Es war noch lange nicht zehn, aber Otto machte sich vielleicht Sorgen. Dann fiel mir ein, dass ich den Screen gar nicht dabei hatte. Vermutlich hätte ich den von Guillory benutzen können, aber er hatte ihn mir nicht ausdrücklich angeboten, und ich dachte nicht daran, mir unerlaubt an einem fremden Gerät zu schaffen zu machen. So viel zu einem Schwatz mit Otto. Für heute zumindest. Müßig fragte ich mich, ob Guillorys Sekretärin wohl schon angerufen hatte, um die Ergreifung des Plastobots zu bestätigen. Vielleicht konnte ich morgen schon wieder nach Hause? Ich wollte wirklich gern mit Otto reden. Er würde dieses Resort hier zum Brüllen finden. UniCorp, das zu gern Gott spielte mit seinen selbst geschaffenen Inseln und selbst geschaffenen Menschen. Ich machte mir auch Gedanken wegen Dr. Bija, ob Guillory oder sonst jemand auf die Idee gekommen war, ihr zu sagen, wo ich war. Ich wollte meine nächste Sitzung nicht versäumen. Otto, Dr. Bija, Zavier, mein Atelier ... Bis zu diesem Moment war es mir gar nicht klar gewesen, aber ich hatte mir tatsächlich so etwas wie ein neues Leben aufgebaut. Nun war ich bedrückt – würde ich wegen dieses Verfolgers am Ende auch mein zweites Leben wieder verlieren?
Ich überlegte, den Holoviewer in der Ecke einzuschalten, entschied mich aber dagegen. Ich sah auf die Uhr und öffnete die Tür zum Balkon, worauf das Rauschen des Meeres hereindrang. Trotz der dekorativ teuren Ausstattung war das Zimmer einigermaßen bequem eingerichtet. Ich hockte mich mit meinem Skizzenbuch auf eine Chaiselongue, merkte aber bald,
dass ich am Einnicken war. Mit einer Spur von Erleichterung ließ ich mich von der Brandung draußen in den Schlaf wiegen.
Meine Ruhe wurde gestört. Mr. Guillory platzte polternd herein. »Rosalinda! Wie schön, dass du noch auf bist!«
Ich blinzelte ihn verschlafen an. Draußen war es stockdunkel, und in der Luft lag diese spezielle Frische, die sich manchmal nach Mitternacht einstellt.
Guillory hatte seinen dunkelblauen Anzug gegen einen gelblich braunen eingetauscht, offenbar seine Vorstellung von Freizeitlook. Er warf einen Blick auf den offenen Balkon und schloss dann die Glasschiebetür, schloss das Geräusch der künstlich hervorgerufenen Brandung aus. Anschließend ging er zur Bar und goss sich einen Drink ein. »Ich hatte befürchtet, du wärst schon ins Bett gegangen.«
»Ich bin hier eingeschlafen«, murmelte ich und überlegte, wie ich mich höflich verdrücken konnte.
»Gut, gut«, sagte Guillory, der offenbar gar nicht zugehört hatte. Mit dem Glas in der Hand zog er einen der vergoldeten Stühle näher an meine Chaiselongue heran und ließ sich ungewohnt schwer darauf nieder. Wie er so in seinem braunen Anzug auf dem goldenen Stuhl thronte, das Glas mit der bernsteinfarbenen Flüssigkeit haltend, sah er aus wie die Statue eines ägyptischen Pharaos, eines Halbgottes, der sein Reich überblickte. Das Eis im Glas glitzerte wie Diamanten.
»So, Rosalinda«, sagte er. »Weißt du, ich habe nachgedacht. Es war eine ziemliche Überraschung, als du dich unserer kleinen UniCorp-Familie angeschlossen hast. Wieder angeschlossen hast, sollte ich sagen. Anfangs, bei unseren ersten Begegnungen, dachte ich, ich kenne dich. Ich dachte, ich wüsste über dich Bescheid. Aber ich merke, das stimmt nicht. Ich habe mir nur ein Bild von dir zurechtgebastelt. Du bist deinen Eltern nicht sehr ähnlich, stimmt’s?«
Ich setzte mich gerader hin und hielt mich an meinem Skizzenbuch fest. »Ich weiß nicht.«
»Nun, ich schon«, sagte Guillory lächelnd. »Ich führe schließlich ihr Unternehmen. Eine ganz schöne Hinterlassenschaft, das. Jackie hatte es total mit diesen Wohltätigkeitsveranstaltungen, weißt du. Bälle und solche Sachen.«
»Ja, ich weiß«, sagte ich, angewidert von der vertraulichen Art, mit der er meine Mutter Jackie nannte. »Wir haben uns immer zueinander passende Kleider gekauft, und sie hat mich zu Galas, Bällen, Diners und Pokertournieren mitgenommen.«
»Das muss Spaß gemacht haben«, bemerkte er. »Ihr wart bestimmt die Sensation, zwei schöne Frauen, die als Gespann auftraten. Deine Mutter war eine echte Schönheit damals. Ich habe Fotos gesehen. Sah dir ziemlich ähnlich.«
Langsam wurde mir mulmig. »Danke«, hauchte ich nur.
»Kein Wunder, dass sie sich deinen Dad geangelt hat, was? Den mächtigsten Mann der Welt.«
»Da bin ich nicht so sicher.«
»Doch, im Ernst«, beharrte Guillory und beugte sich vor,
Weitere Kostenlose Bücher