Während ich schlief
verteilte. Hattest du Geschwister?«
»Nein«, sagte ich leise.
»Tja, ich auch nicht. Ich war ein Einzelkind, so wie mein Sohn jetzt auch. Hab nur den einen Sohn. Hank. Hab mir immer eine Tochter gewünscht.«
Ich wusste nicht, ob er meinte, statt eines Sohns oder zusätzlich. Er schlürfte seinen Drink und taxierte mich. »Hank geht aufs College. Wär schön, wenn du meinen Jungen mal kennenlernen würdest. In den Ferien kommt er nach Hause. Wir werden eine Party geben, damit ihr zwei euch beschnuppern könnt.« Er kicherte anzüglich. »Weiß man nie, was dabei herauskommt.«
Mir wurde schlecht.
Er stand auf und ging wieder zur Bar. Mir war gar nicht aufgefallen, dass er schon wieder ausgetrunken hatte. Wie viele waren das jetzt? Drei mindestens, und bestimmt hatte er schon einiges intus gehabt, als er mich weckte. Er schaufelte Eis in ein zweites Glas und schenkte ein. »Willst du auch einen?«, fragte er und hielt es mir hin.
»Nein.«
Achselzuckend schüttete er mein halbes Glas zu seinem dazu. »Da wir gerade von deinen Eltern reden ...« Hatten wir gar nicht. »Am Ende ging’s ganz schön bergab mit deinem Vater, weißt du. Er hatte es nicht mehr im Griff. War wahrscheinlich besser so, dass er das Zeitliche segnete. Wenn er weitergemacht hätte, hätte er die Firma noch in Grund und Boden gewirtschaftet. Und wenigstens ist er nicht allein gestorben, sie sind zusammen von uns gegangen und haben die Firma in guten Händen zurückgelassen.« Er schwenkte großspurig sein
Glas, und ich fühlte mich total in der Falle. Ich wollte mich gerade aufraffen und mich entschuldigen, als er sagte: »Die Dunkle Epoche und all das. Was geschah, war wahrscheinlich das Beste für alle, letztendlich.«
Ich glaubte, ohnmächtig zu werden vor Schock. Alles Blut wich aus meinem Gesicht. Wie konnte er so etwas sagen? Wie konnte er behaupten, der Tod von mehr als der Hälfte der Weltbevölkerung sei das Beste für alle gewesen?
»Das hab ich schon immer so gesehen«, fuhr er trotzig fort, als bemerkte er mein Entsetzen und wollte seinen Standpunkt verteidigen. Er trank einen langen Zug, bevor er wieder zu seinem Platz ging. Beinahe wäre er über die Teppichkante gestolpert, fing sich aber noch rechtzeitig und sank auf seinen goldenen, mit Knittersamt bezogenen Thron. »Aber es war schon erstaunlich, wie sich dein Dad reingekniet hat. Die Firma so zusammenzuhalten, wo dermaßen viele Leute weggefallen waren. Massen von UniCorp-Angstellten sind in der Dunklen Epoche gestorben, sodass wir nicht mehr allzu viele entlassen mussten. Im Gegensatz zu einigen anderen Betrieben. Nicht, dass wir nicht auch unsere eigene kleine Dunkle Epoche gehabt hätten, weißt du. Verdammt, das Unternehmen hatte seine Höhen und Tiefen, wie ich schon sagte. Haben hin und wieder einen Batzen Geld verloren. Vor zehn Jahren, als die Aktien im Keller waren, mussten wir viele gehen lassen. Haben’ne Menge guter Leute verloren. Teufel noch mal, ich hab so viel gearbeitet, dass ich beinahe sogar meine Frau verloren hätte.«
Ich wollte das nicht hören. Ich wollte das nicht hören.
»Aber ich hab eine kleine Freundin im Büro gefunden, die mir viel geholfen hat«, schwadronierte er beharrlich weiter. »Sie arbeitet unheimlich hart, weißt du? Sie gibt mir das Gefühl, wieder jung zu sein.«
Ich wurde rot. Diese Information brauchte ich nicht, wollte
ich nicht, wollte ich sofort wieder vergessen. Was sollte ich damit? Das ging mich nichts an!
»Fühl mich jetzt fast so jung wie du.« Ich errötete noch mehr. »Mensch, wir müssen dich mit jemandem verkuppeln. Was läuft da eigentlich zwischen dir und diesem Sabah-Knaben? Wie heißt er noch gleich?«
Ich wollte nicht antworten, aber wenn ich ihm den Namen nicht sagte, würde sein Gerede vielleicht noch schlimmer werden. »Bren«, murmelte ich.
»Genau, Bren! Guter Junge. Hab ihn ein paarmal beim Tennis geschlagen.«
Das war gelogen, vermutete ich, es sei denn, er hatte gegen ihn gespielt, als Bren acht war oder so. »Seine Eltern sind gute Mitarbeiter. Ich mag Sabah, er hat Klasse. Gegensätze ziehen sich nun mal an, weißt du. Deshalb hat er Annie geheiratet, das ist mir schon klar.« Was war denn so gegensätzlich an Annie und Mr. Sabah? »Aber Gegensätze ziehen sich an, ob man will oder nicht. Aber man kann nicht vorsichtig genug sein, mit wem man sich abgibt. Ich habe es nie gutgeheißen, dass Bren so viel mit diesem Jungen von Europa herumhängt.«
Oh nein. Bitte nicht jetzt noch Otto ins
Weitere Kostenlose Bücher