Während ich schlief
als wollte er mir ein Geheimnis anvertrauen. »Vergiss, was die anderen sagen. Vergiss die gewählten Regierungsvertreter, die politischen Führer, die religiösen Ikonen. Die sind alle gut und nützlich, aber die Macht – die eigentliche Macht – liegt bei Leuten wie dir und mir.«
Es machte mich nicht so richtig froh, dass er mich miteinbezog.
»Dein Vater, der wusste, was er tat.« Guillory lehnte sich wieder zurück und nahm einen Schluck von seinem Drink. »Überleg mal. Das Unternehmen so vielschichtig anzulegen, dass ein Bereich ruhig einbrechen kann, weil die anderen das sofort auffangen. Ich meine, gut, sie haben NeoFusion auf den Markt gebracht, aber dann ging es erst richtig los, bis sie ihre
Finger überall drin hatten. Haben die wichtigen Positionen mit wirklich bemerkenswerten, handverlesenen Leuten besetzt. Das sind die wahren Könige der Welten, merk dir meine Worte. Und was haben sie uns für ein Vermächtnis hinterlassen: den Konzern, die Kolonien, ComUnity, diese Schule, auf die du gehst.«
Letzteres schien seine Gedanken in andere Bahnen zu lenken, während er noch einen Schluck trank. »Also, sag mal: die Schule. Ich habe dich auf Uni Prep geschickt, weil du nur mit den Besten zu tun haben solltest. Wie kommst du dort zurecht?«
Den Besten? »Ah ... gut, denke ich.«
»Ich habe mir mal deine Noten angesehen«, sagte er, und ich dachte, ich hätte mich verhört. Er bekam meine Noten vorgelegt? Die hatte ich ja noch nicht mal gesehen! Offenbar hatte er Zugang zu allen Schulunterlagen. Auch zu Dr. Bijas? Sollten die Bewertungen nicht vertraulich behandelt und nur einem selbst und den Erziehungsberechtigten mitgeteilt werden? Was in meinem Fall Barry und Patty waren, oder?
Mir blieb keine Zeit, mich darüber aufzuregen, denn er redete schon weiter. »Nicht sehr beeindruckend. Ich frage mich, ob es nicht eine bessere Institution für dich gibt.« Er musterte mich stirnrunzelnd. »Hast du schon mal an ein Internat gedacht?«
»Ich ... ich dachte, Uni Prep ist auch ein Internat«, stammelte ich in Panik. Ich war nie auf einem Internat gewesen, aber wenn ich meine Eltern danach gefragt hatte, hatten sie mir nur Horrorgeschichten erzählt: dass die Kinder dort von den Lehrern mit Peitschenschlägen und Hungerrationen bestraft und von anderen Schülern sexuell belästigt würden, dass die Bessergestellten häufig entführt und als Geiseln genommen würden. Sie selbst könnten sich viel besser um mich kümmern als
jedes Internat, hatten sie gesagt. Jetzt waren sie tot, und Guillory wollte mich auf so etwas schicken?
»Na, mal sehen«, sagte er und starrte in sein Glas, in dem nur noch Eis war. Er ging zur Bar und schenkte sich nach. »Ist eh noch zu früh, um an einen Wechsel zu denken. Du bist ja gerade mal – wie lange, zwei Monate? – wieder am Leben.«
Er durfte mich nicht wegschicken. Ich würde für bessere Noten sorgen. Ich musste fleißiger lernen. Ich schluckte, als er sich wieder auf seinen Stuhl fallen ließ.
»Weißt du, Rosalinda, als ich ein Kind war, haben mich meine Eltern oft nach meinen Träumen und Zielen gefragt.«
Ich blieb auf der Hut. Was sollte das nun wieder?
»Hast du auch Träume und Ziele?«
»Äh ...« Ich wusste nicht, was ich darauf antworten sollte. Im Moment war es mein größter Traum, die Nacht ohne einen Albtraum durchzuschlafen. Mein heißester Wunsch bestand darin, nicht von einem kriegerischen, elektronisch zum Leben erweckten Leichnam gejagt zu werden, der mich eliminieren wollte. Daneben war es mein Ziel, dieses Gespräch schleunigst zu beenden, aber ich wusste nicht, wie ich das anstellen sollte. »Früher ja«, antwortete ich. »Aber die Welt hat sich sehr verändert.«
»Oh ja!«, rief Guillory und hob sein Glas, wie um mir zuzuprosten. »Das hat sie.« Dann starrte er das Glas an und schien zu merken, dass seine Geste nicht unbedingt angebracht war. »Tut mir wirklich leid wegen deinen Eltern, Schätzchen«, sagte er. Ich wollte gerade nicken, als er schon fortfuhr. »Aber alles in allem, sei ehrlich: Hast du auf diese Weise nicht mehr Spaß jetzt?«
Ich starrte ihn angeekelt an. Meine Welt, meine Familie war gestorben, und er glaubte, ich hätte mehr Spaß?
»Will sagen, als ich ein Teenager war, hätte ich meinen linken
Arm dafür gegeben, nicht die ganze Zeit beaufsichtigt zu werden. Tun und lassen zu können, was ich will. Aber nein, ständig saßen mir meine Eltern im Nacken. Hatte nicht mal Geschwister, damit sich der Druck
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