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Wärst du doch hier

Wärst du doch hier

Titel: Wärst du doch hier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Graham Swift
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der Gedanke, dass die Ferien unter heißen, säuselnden Palmen näher rückten, angenehm sein konnte. Aus irgendeinem Grund war Jack der Gedanke an Palmen durch den Kopf geschossen, und deshalb hatte er die dumme Bemerkung gemacht, dass sie die Reise in die Karibik absagen müssten.
    Vielleicht ging ihm auch gerade, während er auf den Brief starrte, der Gedanke durch den Kopf, dass er die Nachricht, ohne sie wirklich zu bemerken, schon in einer Zeitung gelesen haben könnte   – nicht dass er ein großer Zeitungsleser wäre   –, die anonyme Nachricht vom Tode seines Bruders. Die öffentliche Bekanntgabe. Doch nein, er konnte sich an keinen Moment erinnern, da sein Inneres geheimnisvoll von Kälte erfasst worden wäre. Und obwohl inzwischen solche Nachrichten längst keine Seltenheit mehr waren, hatte er sich immer gesagt, dass Tom überall in der Welt sein konnte.
    Andererseits hätte er sich auch erkundigen können. Gar nicht so schwierig, gar nicht so unvernünftig. Schließlich war er der nächste Angehörige. Und er hatte gewusst, dass eine Mitteilung ähnlich der, die er jetzt in der Hand hielt, nicht ausgeschlossen war. Jetzt, da er sie in der Hand hielt, hatte es die gespenstische, spottende Wahrheit von etwas, das nicht gänzlich unerwartet kam. SeineHand zitterte. Als ob die Erwartung es hätte verhindern können. Oder es verursacht hätte.
    Es war und blieb eine Tatsache, dass er vorher gewusst hatte, was in dem Brief stand. Das war der Gedanke, der ihm, mehr als alle anderen, durch den Kopf schoss und ihn überwältigte. Bei dem sein Herz zu klopfen begann, als spränge es lose in seiner Brust herum, noch bevor er den Umschlag geöffnet hatte.
    Und als er ihn an Ellie weiterreichte, wusste er, dass auch sie schon ahnte, was drinstand. Es gibt ja so etwas wie Körpersprache. Und sein Tonfall, als er sie herbeigerufen hatte. Trotzdem wirkte sie verärgert, weil er sie bei ihrer Aufgabe gestört hatte. Er hatte immer so seine Probleme, wenn er die verdammte Bettdecke frisch beziehen wollte. Und als sie einen Blick auf den Brief geworfen hatte, wusste er gleich von dem Ausdruck auf ihrem Gesicht, dass sie es ihm kein bisschen leichter machen würde. Es war ohnehin nicht leicht, aber sie würde es nicht leichter machen. Sie würde es deshalb nicht leichter machen, weil sie dachte   – und den Gedanken konnte er auf ihrem Gesicht ablesen   –, dass
dies
die Dinge einfacher
machte
. Es zog einen sauberen, einfachen, dauerhaften Strich. Und wenn er ehrlich war, musste er zugeben, dass er diesen Gedanken auch gehabt hatte, wenn auch nur den winzigsten Ansatz davon. Doch was für Ellie ein Gedanke war, der die Dinge leichter machte, war für ihn eine Falle, die zuschnappte. Allein die Tatsache, dass er den Gedanken gehabt hatte.
    Menschen konnten hilfreich sein, indem sie starben. Doch, das konnte sein. Nein, unmöglich. Ellie würde die Position einnehmen, wie er klar sah, dass dies seine,Jacks, Angelegenheit war, mit der er gefälligst nicht sie belasten solle. Die nächsten Angehörigen, und Ellie war keine. Ellie war, wenn man es genau besah und trotz der Eheschließung vor zehn Jahren in Newport, eine Merrick. Ellie würde, sollte er sie bedrängen, die Position einnehmen, dass er Toms Weggang vor all den Jahren ermöglicht hatte, dass er ihm dabei geholfen hatte. Und war es nicht so, dass Toms Rückkehr das Letzte war, was er sich wünschte, wenigstens jetzt?
    Das alles konnte Jack klar sehen, während er innerlich zu zittern anfing. Und während er   – nur für einen Augenblick, aber ganz deutlich   – Tom dort stehen sah, in der Tür zum Lookout Cottage, ein breites Grinsen auf dem Gesicht und größer als früher. In Uniform. Ist jemand zu Hause?
    Das Letzte, was er sich wünschte? Nein.
    Es war alles seine Schuld, dachte Jack, dieser Brief und was immer er bedeutete, es war seine Schuld. Das dachte er schon in dem Moment, als Ellie ihm den Brief zurückgab. Es schien ihm sogar, dass er den Brief nicht eben erst geöffnet hatte, sondern dass er ihn schon eine Weile in seiner Tasche getragen und gerade erst beschlossen hatte, ihn ihr zu zeigen. Wie der Brief, den sie ihm gezeigt hatte, mit dem blauen Himmel vorm Fenster, auf der Jebb Farm. Hier, lies mal.
    Das dachte er noch, als sie auf ihn zukam, denn sie konnte sehen, dass er zitterte. Nicht nur seine Hand. Seine Schultern zuckten, seine Brust bebte. Selbst als Ellie den Arm um ihn legte und ihn festhielt   – sie roch nach sauberer

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