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Wärst du doch hier

Wärst du doch hier

Titel: Wärst du doch hier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Graham Swift
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war, kam ein eleganter schwarzer Wagen die sich schlängelnde Straße von Holn herauf   – die Jack jetzt auch im Blick hat   – und hielt nach der langsamen Anfahrt in ungewohnter Manier auf dem Wendeplatz gegenüber dem Cottage. Jack hatte ihn kommen sehen, von genau diesem Fenster aus. An einem ruhigen Tag bemerkte man jedes Auto, das den Hügel hinauf kam   – ein an sich seltenes Ereignis   –, auch wenn man nicht schon darauf wartete. Er sah den Offizier aussteigen und dann seine Schirmmütze sowie eine darunterliegende braune Ledermappe vom Beifahrersitz nehmen.
    Jack war von diesem Besuch unterrichtet worden, und der Zeitpunkt war der verabredete, fast auf die Minute elf Uhr dreißig. Aber als Jack   – der ja in diesem Momentglaubt, Ellie könne mit einem Konvoi von Polizeiwagen zurückkommen   – den Offizier aus dem Wagen steigen sah, hatte er einen Augenblick lang keinen Zweifel daran, dass der Mann mit dem Vorsatz kam, ihn zu verhaften, ihn gefangen zu nehmen oder das zu tun, wozu er kraft seines Amtes berechtigt war. Möglicherweise ihn erschießen zu lassen. Und im selben Moment hatte er beim Anblick der Khaki-Uniform den deutlichen Gedanken: Das hätte auch Tom sein können. Tom hätte eines Tages hier aufkreuzen können, aus heiterem Himmel. Er hätte ja, auch das war möglich, in den Offiziersrang aufgestiegen sein können.
    Aber der Offizier hieß Major Richards   – Jack hatte am Tag zuvor, wie gewünscht, am Telefon mit ihm gesprochen   – und war Anfang fünfzig, und bevor er sich die Schirmmütze aufsetzte, sah Jack, dass sein Haar grau und schütter war und dass er in gewisser Weise eher wie ein Arzt auf Hausbesuch oder ein seltsam beladener Schullehrer aussah, nicht wie ein Offizier der Armee.
    Major Richards hatte einen Moment dagestanden, sich die Mütze sehr akkurat auf den Kopf gesetzt, sich das Jackett zurechtgezogen, die Mappe unter den Arm geklemmt und mit vorgehaltener Hand gehustet. Dann hatte er die wenigen Schritte zur Haustür vom Lookout Cottage zurückgelegt, nicht unbedingt im Marschschritt, aber doch so, als wären Zeremoniell und würdevolles Auftreten angemessen und als wüsste er, dass man ihn beobachten könnte.
    Major Richards hatte am Telefon erklärt, ja, sogar insistiert, dass dies die normale Vorgehensweise des Bataillons sei. Ein persönlicher Besuch, wie immer die Nachrichtübermittelt worden war, um die Beileidsbezeigungen des Bataillons zu überbringen und Verlust und Dankbarkeit zu bekunden. Und, um in dem Zusammenhang stehende Dinge zu erklären. Unter den Umständen war das nur recht und billig, und er war der für diese Besuche zuständige Offizier. Notgedrungen hatte Jack sich also mit dem bevorstehenden Besuch des Offiziers einverstanden erklärt. Er hatte sich nicht mit Ellie besprochen, aber nachdem er den Hörer aufgelegt und Major Richards’ Worte nahezu wortwörtlich wiederholt hatte, sagte er, dass die Dinge so gehandhabt würden und er sich damit einverstanden erklärt habe.
    Sie mussten also aufräumen   – dabei war es gar keine Inspektion   –, und Ellie hatte sich präsentabel und angemessen angezogen: schwarzer Rock und hellgrauer Pullover mit V-Ausschnitt , dazu die Kunstperlenkette, was zu Jacks schwarzer Hose und seinem weißen Hemd passte (ein Aufzug, in dem man ihn normalerweise nicht antraf), und sie beide bereiteten sich darauf vor, so tun, als würden sie bei sich zu Hause an einem normalen Vormittag mitten in der Woche immer so rumlaufen. Als sie diesen ungewöhnlichen Staat anlegten, hatte Ellie ihn mit einer seltsamen, würdigenden Zärtlichkeit angesehen. Es war wie an dem Tag, als sie geheiratet hatten. Und als Major Richards auf die Haustür zuschritt, stand Jack, der die Treppe runtergekommen war, auf der anderen Seite, nämlich im Haus, an der Tür und wartete in seinem frischen weißen Hemd, und er konnte den unwillkürlichen Drang, Haltung anzunehmen   – den er im Übrigen in den folgenden Tagen immer wieder verspüren sollte   –, nicht völlig unterdrücken.
    »Mr.   Luxton?«, hatte Major Richards gesagt. Und sehr förmlich gefragt, ob er hereinkommen dürfe, und als er eintrat, hatte er seine Mütze mit einer gemessenen und förmlichen Geste abgenommen. Sie hatte nur für die paar Schritte vom Auto zum Haus auf seinem Kopf gesessen. Er hatte ihnen beiden die Hand geschüttelt und im selben Moment, noch im Stehen, das tiefe Beileid und Bedauern des Bataillons ausgesprochen. Er hatte gesagt, Corporal

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